Ich ließ mich schwer und müde auf meinen Drehstuhl fallen, als Connor bereits wieder das Wort an mich richtete. Ich lehnte mich zurück und seufzte. Ich hasse Undercovermissionen. Ich weiß, ich weiß, irgendwer muss den Scheiß machen, aber sie sind gefährlich. Für einen Junhspund. Der Connor ja eigentlich nicht war. Gefährlich in diesem Falle natürlich hauptsächlich für Connor, auch wenn ich mir nicht zugestehen wollte, dass ich mir vielleicht Sorgen um den Androiden machte. Ausgerechnet ich. Darüber konnte man ja eigentlich nur lachen.

Anstatt auf dem Schreibtisch gegenüber von dem des Lieutenant Platz zu nehmen setzte ich mich bei ihm auf den Tisch. Ich wusste nicht woher diese Direktive kam aber ich hinterfragte sie nicht. Zwei meiner momentanen Aufgaben verschwanden. Ich hatte die Abweichler Dateien auf Abruf bereit. Verarbeiten konnte ich sie erst mit der vollständigen Coverstory. Warte auf das Cover. "Ich weiß dass ihr Abschluss exzellent war. Sie haben viele Fälle hervorragend gelöst und wurden der jüngste Lieutenant in der Kolonie." Ich hatte Zugriff auf alle öffentlichen und polizeilichen Dateien über den Lieutenant. "Auch wenn Sie in letzter Zeit öfters abgemahnt wurden" Ich legte meinen Kopf schief. "Und gerne Bars besuchen... Ich könnte mir niemanden vorstellen der für diesen Fall geeigneter wäre." Meine Einschätzung war aufrichtig.
Schlussendlich kam eine kleine Frau - Mitte 40 - mit braunen und streng zusammengebundenen Haaren zu uns. Sie trug einen Blazer und ein Hemd mit Hose und hatte eine Akte in der Hand. Almasi, Stephanie. Geboren: 01.04. // Polizei-Ermittler. Vorstrafen: Keine. Sie nickte dem Lieutenant zu. "Hey Hank. Der Captain hat vorgeschlagen das du dich sofort mit deiner Coverstory auseinander setzt." Sie lächelte schmal. "Viel Glück." Sie beachtete mich nicht. Stattdessen legte sie die Akte direkt neben mir am Schreibtisch ab und verschwand wieder.

Coverstory:

Das ist verdammt lange her. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und veränderte meine Sitzposition. Dieses Thema war mir nicht recht. Connor sprach da Zeiten an, in denen alles viel leichter erschienen war. Ich hatte das Leben geliebt, meinen Job geliebt, viele Jahre lang. Es war gefährlich gewesen, doch das hätte mich kaum weniger stören können. Dann war alles den Bach runter gegangen und ich wollte nur noch, dass alles endete, doch hatte es nicht mal in mir das selbst zu erledigen. Vermutlich war Connor darauf programmiert worden solche Sachen zu sagen, um seinen etwaigen Partner zu motivieren, doch auch wenn ich es nicht zeigte, wirkte das bei mir, denn in Wirklichkeit gab man mir selten noch das Gefühl einen guten Job zu machen, aus... offensichtlichen Gründen. Ich war froh, als Stephanie zu uns trat und das Gespräch unterbrach. Ich setzte mich wieder etwas auf und zog die Mappe zu mir. Von mir aus. Danke. Ich laß rasch den Inhalt der Mappe durch, es war das übliche, zu einem Arbeitslosen passte meine Kleidung laut einigen Aussagen der Kollegen sowieso sehr gut, und blieb an der Handnotitz ganz unten hängen. Gottverdammt bist du teuer Connor. Es war beinahe amüsierend, dass CyberLife so viel Geld in die Hand nahm, nur um ein Modell wie Connor dann der Gefahr des Abschusses freizugeben. Ich schüttelte den Kopf und reichte meinem Partner die Mappe, der es sich auf meinem Tisch bequem gemacht hatte. Gefunden, als wärst du ein entlaufener Hund.

Der Lieutenant zog die Mappe zu sich. Meine Sensoren verfolgten die Mikrobewegungen in seiner Iris. Er las die Akte mit ungefähr gleicher Geschwindigkeit. Allerdings blieben sie dann gegen Ende der Akte unten stehen. "Die RK800-Reihe ist ein Prototyp welche erst 3 Monate vor dem Mordfall um 'Carlos Ortiz' entwickelt wurde. Ich habe viele neue Featuren welche andere Androiden nicht besitzen." Ich wusste das der kleinste Preis eines gebrauchten Androiden bei 899 begann. Die Produktionskosten meiner Reihe waren deutlich höher. Mein Tonfall blieb erklärend und neutral. "Mein Äußeres und meine Stimme sind eigens auf meine Mission ausgerichtet. Denken Sie der Preis ist zu hoch und mich würde niemand haben wollen?"
Beinahe sofort nahm ich die Akte entgegen. Speichere das Cover ab. Es waren 140 Wörter auf 1.017 Zeichen mit Leerzeichen. Eine Aufgabe von wenigen Nanosekunden. Ich speicherte mir die Informationen ab. Simple Cover hatten den Vorteil das sie besser auf menschliche Fehlbarkeit angepasst waren. "Aber Sie mögen Hunde." Ein schmales Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab. Kläre Details zum Cover. "In welchem Zustand denken Sie hätten Sie mich gefunden?"

CyberLife ist wirklich verzweifelt, hm? Klar waren Androiden wohl allgemein teuer, aber das war schon eine verdammt hohe Summe. Wer dich nicht haben wollen würde müsste verrückt sein. Wofür allerdings, daran wollte ich gar nicht erst denken. es gab kranke Leute, von denen hatte ich bereits meinen Teil gesehen. Und weit darüber auch. Als könnte ich jemanden darstellen der keine Hunde mag. Vermutlich würde ich es können, ich war auf meine Weise ein guter Schauspieler, doch zum Glück hatte bisher noch niemand hier die glorreiche Idee mir eine Coverstory zu verpassen, die einen Katzenmensch beinhaltete. Alleine beim Gedanken daran schauderte mir leicht. Lieber dachte ich an das was vor mir lag. Die Coverstpry auszuschmücken war unser nächster Punkt und mir schwirrten schon Ideen im Kopf herum. Verwirrt, vielleicht ein bisschen angeschlagen? Wie wärs damit, ich hab einen auf netter Onkel gemacht und aufgenommen um dein Vertrauen zu gewinnen und habe dir erzählt, ich bringe dich an einen Ort wo Androiden wie du sicher sind.

Die erste Aussage des Lieutenant und diese von Amanda passten gut zusammen. Ich wusste allerdings das ich mit niemandem über sie sprechen durfte. Es war in meiner Programmierung untersagt. CyberLife übte Druck auf unsere Ermittlung aus. Druck von dem der Lieutenant nichts wissen durfte. 'Wenn deine Untersuchung nicht bald Fortschritte macht muss ich dich vielleicht ersetzen Connor.' Dieser Satz hatte sich in meinem Speicher schon des Öfteren aufgerufen. Amanda konnte jederzeit den Auftrag dazu geben das ich zu CyberLife zurück kehren musste. Um deaktiviert zu werden. Seine zweite Aussage erweckte mein Interesse. Ich wurde abgelenkt durch zwei Warnungen. Warnung: Thiriumpumpenregler-Error. Biokomponente #4269 überhitzt. Ich hatte diese bereits ein Mal gesehen. Als ich bei dem Lieutenant zuhause gewesen war. Nachher als ich am Spiegel in seinem Bad vorbei gekommen war hatte ich meine bläulichen Wangen bemerkt. Dieser Error war äußerst seltsam. Die Datenbank hatte keine einzige Datei über solche Vorfälle.
Ich ließ sofort eine Diagnose über alle meine Programme laufen. Während ich das tat ging ich lieber weiter auf unsere Coverstory ein. Die Idee des Lieutenant klang vernünftig. Ich hatte auch nur mit sehr niedriger Wahrscheinlichkeit etwas anderes erwartet. "Klingt plausibel. Der Android von 'Carlos Ortiz' wüsste damals nicht wohin er sollte. Weil er zum ersten Mal keine Befehle erhalten habe." Ich rief seine Aussagen bei dem Verhör noch einmal auf. 'Ich wusste nicht weiter. Zum ersten Mal sagte mir niemand was zu tun war. Ich hatte Angst. Und versteckte mich.' "In Krisen-Situationen ist es einfacher jemanden zu manipulieren." Meine LED machte eine Umdrehung. "Denken Sie Sie konnten diese Fassade die 5 Tage bis zum Verkauf aufrecht erhalten?"

Mein Blick fokussierte sich einige Momente auf Connors Gesicht, das mir anders als zuvor vorkam. Als Polizist musste ich auf kleine Änderungen achten und Connors Wangen waren etwas bläulicher als zuvor. Ich wusste, dass Thirium blau war, also... Ist er rot geworden? Oder in dem Fall eben blau? Das weckte mein ehrliches Interesse und ich dachte noch immer darüber nach, als das Gespräch schon weiter lief. Ich warf noch einen Blick auf das Cover und nickte. Er war verheiratet, irgendwie musste er seiner Frau ja was vormachen. Zudem macht Not erfinderisch, er ist ziemlich verzweifelt.

Alle Systeme laufen mit optimaler Kapazität. Die Analyse hatte keine Fehler finden können. Der Ablauf war genau der selbe wie beim letzten Mal. Es musste also einen bestimmten Auslöser geben. Die Warnungen verschwanden langsam wieder. Dieses Mal dauerte es länger als das letzte. Vielleicht war der Auslöser doch verschieden. Mein System in der Praxis war nicht fehlerfrei. Der Blick des Lieutenant lag auf mir. Ich hoffte er hatte nichts bemerkt. Fehlverhalten bei nicht abweichenden Androiden wurde meistens nicht geduldet. Auch wenn er schon lange nicht mehr 'abweisend' gewesen war. Bei unserer ersten Zusammen-Arbeit war das anders gewesen. Bei dem Lieutenant hatte ich deutliche Fortschritte gemacht. Amanda interessierte sich nur nicht dafür.
"Das ergibt Sinn." Die Coverstory soweit hatte stabile Zusammenhänge. "Sie müssen Sie vermutlich über meine Features informieren wenn sie mich verkaufen möchten. Grundsätzlich steht es mir von CyberLife frei jedes Protokoll herunter zu laden. Ich kann sein was auch immer Sie möchten. Meine primäre Funktion ist die eines 'Perfekten Partners'." Der 'Perfekte Partner' war hauptsächlich auf Polizei-Arbeit ausgelegt. Dennoch war es mir möglich mich überall zu integrieren.

Bei Connors letzten Worten verschluckte ich mich an meiner eigenen Spucke und begann heftig zu husten. Natürlich war mir klar, dass Connor "Perfekter Partner" auf seine Arbeit als Polizeipartner bezog, doch selbst ich hatte Broschüren gesehen, in denen verschiedene Androiden-Modelle erklärt wurden und diese verstanden unter dem "Perfekten Partner" etwas ganz anderes. Ich konnte nicht verhindern, dass Bilder mit gewissem Inhalt vor meinem geistigen Auge vorbei schossen, die mich, alten Mann, leicht erröten ließen. Zum Glück hatte ich einen Bart. Ich brauchte etwas bis ich wieder normal atmet konnte und räusperte mich leicht. Sorry. Was gibt es da denn noch für Protokolle?

Der Lieutenant begann zu husten. Ich aktivierte meinen Scan. Konnte allerdings nichts medizinisch Bedenkliches vorfinden. Mein Tonfall blieb unberührt. "Ihre Körpertemperatur ist angestiegen. Ist alles in Ordnung Lieutenant?" Ich konnte keinen Grund für seinen Hustenanfall ausfindig machen. Dieser schien allerdings bereits wieder wobei zu sein.
Meine LED machte eine Umdrehung. Ich wechselte in meinen Erklärung-Modus. Meine Programmierung belohnte akkurate Erklärungen. Um es mit menschlichen Worten auszudrücken freute ich mich darüber das der Lieutenant eine Frage stellte. "CyberLife bietet viele verschiedene Protokolle an. Allgemeine Transport-, Kraft- und Gartenarbeit sowie Leistungen im Sport können nicht von allen Modellen effizient ausgeführt werden. Spezialisierte Modelle wie die Polizeihilfskräfte des CPD haben die Protokolle welche sie für ihre Aufgaben brauchen." Gewisse Modelle waren einfach mit robusteren oder stärkeren Voraussetzungen gebaut. Auch wenn das Grundgerüst eines Androiden immer dasselbe war. Deswegen konnten die Biokomponenten auch einfach ausgetauscht werden. "Persönliche Assistenz, soziale und Kinder-Betreuung und Kundendienst sind ebenso Spezialisierungen für Androiden." Es wäre dennoch jedem Androiden möglich erweiterte Protokolle herunter zu laden. Das bedeutete dennoch nicht das er sie auch effizient einsetzen konnte. "Die Datenbank von CyberLife steht zur freien Verfügung. Es steht mir theoretisch frei das Protokoll eines elektrischer Antrieb-Androiden oder eines Sexualpartner-Androiden herunter zu laden. Das wäre allerdings ein ineffizienter Einsatz für mein Modell." Adaption auf menschliche Fehlbarkeit war eines meiner Features. Dazu brauchte ich keine direkten Protokolle.

Connor brachte bei seiner Aufzählung nun auch das ein woran ich als erstes gedacht hatte. Diese Art von Partner. Oh schweiget still Gedanken, die hier am Arbeitsplatz nicht verloren hatten. Oder überhaupt irgendwo in meinem Leben. Ich schüttelte einmal kräftig den Kopf, nickte dann aber. okay, okay, ich glaube sein normales Programm reicht völlig aus. Wenn die sich mit Androiden auskennen erkennen sie sowieso, dass du einzigartig bist, dich als Gartenandroiden auszugeben oder so ein Scheiß bringt da nichts. Gartenandroid. Das war doch ein sehr viel sichereres Thema als die Sache mit dem Partner.

Der Lieutenant hatte offenbar aufmerksam zugehört. Denn auch er kam zu dem Schluss: Einsatz in anderen Spezialgebieten war ineffizient. Aber möglich. "Selbstverständlich Lieutenant." Wir hatten keine ausreichenden Informationen darüber welche Androiden genau der Schmuggelring aussuchte. Das Motiv bisher war mit hoher Wahrscheinlichkeit Androiden zu einem hohen Preis zu verkaufen. "Die Stärken meines Modells liegen hauptsächlich im sozialen Bereich." Dennoch waren andere Motive gut möglich. Es waren keine genauen Aussagen über die verschwundenen Androiden möglich. Zu diesem Zeitpunkt war der Datensatz noch zu ungenau. Die Möglichkeit bestand das der Schmuggelring nach bestimmten Androiden suchte.
Eine Sache blieb noch ungeklärt. "Wie soll ich Sie während unserer Mission ansprechen?" Eine formelle Ansprache mit 'Lieutenant' wäre schließlich nicht gerade förderlich. Im Notfall konnte ich immer auf die Standard-Ansprache wechseln. Aber auch Selbstverständlichkeiten sollten im Vorhinein geklärt werden. Unsere Undercoverstory musste fehlerfrei sein. So menschlich fehlerfrei wie möglich.

Da hatte Connor allerdings recht, im sozialen Bereich bewegte er sich sehr stark, das war teilweise schon fast nervtötend. Ich überlegte kurz welchen Namen ich meiner neuen Identität geben sollte. Etwas das leicht zu merken war, doch am besten ein alltäglicher Name war. Mein Name ist John. John... Cooper. Du nennst mich John, ich bin schließlich ein einfacher Mann, dein Retter, und nicht in der Rolle deines Vorgesetzten.

"Selbstverständlich Lieutenant." Ich bestätigte seine Angabe. Meine LED machte eine Umdrehung. Die neuen Daten nahm ich sofort auf. Neues Alter Ego für Lt. Hank Anderson: 'John Cooper'. // Anredeform '2. Person; Singular'. Hinzufügen? Hinzufügen bestätigt. Zwischen dem Alter Ego und der formellen Ansprache zu wechseln war für mich eine reine Schaltungs-Funktion. Nach unserer Mission würde ich sie wieder entfernen. Oder für spätere Verwendung abspeichern.
Ich ließ mein Analyse-Programm soweit über die Coverstory laufen. Cover abgeschlossen. Das Ergebnis war mit großer Wahrscheinlichkeit ausreichend. Die Praxis erlaubte einiges an Spontanität. Und mir standen mehrere Trillionen Datensätze zur Verfügung. "Mit großer Wahrscheinlichkeit werden sie zuerst jemanden von ihnen senden um Sie oder auch mich zu überprüfen. Es ist unwahrscheinlich das sie uns ohne Überprüfung in ihr Versteck lassen werden." Bisher war noch niemand an ihren Standpunkt heran gekommen. Diesen zu finden war eine unserer Aufgaben. Von dort aus konnten wir den Schmuggelring auflösen. 'Das Problem im Keim ersticken.' "Wir werden sehen wie der Prozess abläuft sobald Sie Kontakt aufgenommen haben. Haben Sie noch etwas hinzu zu fügen Lieutenant?"

Vermutlich ein Treffen an einem unverbindlichem Ort. Wir werden Kontakt aufnehmen und sehen womit wir es zu tun haben. Ich seufzte, denn das klang anstrengend und die Gefahr eines Undercoverauftrages war natürlich auch noch dabei. Selbst so eine Kontaktaufnahme konnte schon gefährlich werden. Wir müssen unsere Rolle gut spielen Connor, vergiss das nicht. Natürlich würde er es nicht vergessen, aber das war etwas, was ich jedem Anfänger gesagt hätte und für mich war Connor eben noch ein Jungspund, jemand, den ich ausbildete, auch wenn das nicht der Fall war.