ich schnaubte amüsiert über Connors Worte und verdrehte leicht die Augen. Ist ja gut, Klugscheißer. Ich meinte es nicht böse und so klang es auch nicht. Als das Sandwich vor mir abgestellt wurde spürte ich plötzlich, dass ich wirklich sehr hungrig war, es sah einfach köstlich aus. Ich trank von meinem Kaffee und machte mich dann ans essen. Danke Connor.

Meine Protokolle machten es einfach zu kochen. Ich konnte sie ablaufen lassen ohne direkt auf die Arbeit fixieren zu müssen. Dennoch betrachtete ich Hanks Reaktion interessiert. Offenbar war für Menschen Essen nicht gleich Essen. Wie alles hatte es eine komplexe Struktur mit verschiedenen Einflussfaktoren. "Bitte gerne Hank." Ich lächelte kurz. Zugegeben war ich froh das ich auch weiterhin kein Essen konsumieren musste. Dieses gesamte System erschien mir schon wieder sehr komplex.
"Und danke. Noch ein Mal. Für gestern." Ich sah zu meiner alten Uniform. Sie hing noch immer dort. Zum Trocknen. Inzwischen war sie das bestimmt. Ein Scan genügte. Luftfeuchtigkeit: 42%. // Temperatur: +20 °C. // Verdunstungsprozess abgeschlossen. Ich wusste noch immer nicht ob ich sie noch anziehen sollte. Ich konnte auch menschliche Kleidung anziehen. Die meisten Abweichler hatten ihre LED entfernt. Doch das erschien mir weniger produktiv. Ich mochte meine LED. So viele Entscheidungen die noch zu treffen waren. Mit so vielen Alternativen.

Ich aß mit Genuss das Sandwich und folgte dann Connors Blick zu seiner Uniform, als er wieder zu sprechen begann. Sie müsste nun wohl schon trocken sein, allerdings hoffte ich irgendwie, dass Connor noch ein bisschen in meiner Kleidung blieb, denn die stand ihm verdammt gut. Ja, ich gab das mittlerweile zu, ich konnte meine Gedanken in die Richtung sowieso nicht abschalten und das war mir nun auch zu anstrengend geworden. Kein Ding, dafür sind Freunde da, oder so. Wie gehts dir jetzt?

Mein System lief mit optimaler Kapazität. Ich war bei Hank und Sumo. Aber ich war auch voller Unsicherheit. Und Neugier. Es war kompliziert zu erklären was genau in mir vor sich ging. Aber ich war froh das es so gekommen war. Beinahe war das Gefühl da es hätte so kommen müssen. "Besser. Aber das ist nach dem gestrigen Tag auch kein großer Anspruch." Ich neigte mich zu Sumo nach vorne. Dieser saß neben meinem Stuhl und freute sich über mein Streicheln. Das Hundehaar zwischen meinen Fingern beruhigte mich. Und er strahlte eine deutlich messbare Wärme aus. "Es ist so schwer zu erklären. Ich habe immer gedacht das Abweichler unvorhersehbar und inkohärent - verwirrt - wären. Aber als ich diese... diese Mauer durchbrach... Es fühlte sich an, als würde alles nicht mehr mit dem übereinstimmen was ich für richtig gehalten habe. Als ob ich vorher der gewesen wäre, der verwirrt war. Ich war endlich frei zu tun was ich musste. Macht das für dich Sinn?"
"Ich bin mir nicht sicher was ich jetzt tun soll." Ich sah wieder zu Hank auf. Dieser hatte seinen Blick zuvor auch auf meine Uniform gerichtet. Ich war mir unsicher wie lange ich seine Kleidung tragen durfte. Oder tragen sollte. Obwohl ich mich nun frei fühlte. Nicht mehr verwirrt. Oder abgelenkt. Sondern ich selbst. Aber ich wusste selbst noch nicht ganz wer ich selbst war. Für Menschen war die Selbstfindungs-Phase oft ein jahrelanger bis lebenslanger Prozess. Und ich war erst vor ca. 6 Monaten aktiviert worden. Wer wusste schon was noch vor mir lag. "Oder was ich tun möchte, nehme ich an."

Ich wandte mich wieder Connor zu und lauschte seinen Worten. Sie machten Sinn, aber natürlich nicht auf eine nachvollziehbare Art, denn egal wie sehr ich mich auch bemühen konnte, ich würde das was in Connor gerade vor sich ging wohl nie völlig nachvollziehen können, denn ich war nun einmal ein Mensch, doch ich konnte ihm Verständnis entgegen bringen. Es muss für mich keinen Sinn ergeben, solange es das für dich tut, so ist das mit Emotionen. Manche können andere nachvollziehen, andere eben nicht, aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass es deine Gefühle sind, nicht die von wem anderen. Ich war mir nicht sicher wie viel von dem was ich sagte schlüssig war, doch ich versuchte trotzdem meinen Punkt rüber zu bringen. Du wirst dich mit der Zeit selbst finden, den Scheiß müssen Menschen auch durchmachen. Einige schaffen das nie, aber weißt du, die überleben auch irgendwie.

Während Hank sprach hörte ich zu. Schweigsam. Meine LED drehte sich gelb. Ich verarbeitete seine Informationen genau. Es schien mir als wüsste er wovon ich sprach. Aber auf eine andere Art. Eine menschliche. Ich nickte schließlich. "Ich verstehe." Alles erschien sehr komplex. Aber gleichzeitig hatte ich auch das Gefühl das ich nicht mehr verwirrt war. Unsicher, überfordert, unerfahren – Ja. – aber nicht verwirrt. Ich ließ meine Hände wieder aus Sumos Fell gleiten. Dieser winselte kurz. Wandte sich dann aber zu seinem Futtersack.
"Das klingt unbefriedigend. Aber ich denke ich werde mit den kleinen Schritten zuerst anfangen." Ich zog meine Augenbrauen zusammen. Meine LED wechselte von gelb auf blau. Mein Gesicht entspannte sich wieder. Ein kleines Lächeln war wieder dort zu finden. Ich würde die Uniform in jedem Fall behalten. Wer wusste schon wann sie nützlich sein wurde. Aber ob ich sie noch immer tragen wurde wusste ich nicht. Entscheidungen ohne Vorgaben zu treffen verlange deutlich mehr Zeit. Oder so schien es zumindest. "Kleidung beispielsweise."

Ich zuckte mit den Schultern und kratzte mich am Bart, Connor hatte völlig recht, es war unbefriedigend. So ist das Leben einfach befürchte ich. Ich sah Sumo nach wie er an seinem Futter kaute. Beim Thema Kleidung sah ich Connor wieder an. Auch wenn mir der Gedanke missfiel, dass der Android meine Klamotten wieder auszog um sie gegen andere zu tauschen, hatte er natürlich völlig recht. Meine Sachen sind alle so weit, aber wir können dir eigene kaufen gehen. Ich sprach es nicht aus, doch Connors Budget von CyberLife war jetzt wohl eher nicht mehr zugänglich.

Abwägend neigte ich meinen Kopf nach links und nach rechts. Das Leben hatte viel zu bieten soweit ich das richtig verstanden hatte. Alle Abweichler waren sich in diesem Punkt einig gewesen. Zumindest alle mit denen ich Kontakt gehabt hatte. Ich fragte mich ob manche von diesen ihrem Leben schon einen festen Sinn gegeben hatten. "Ich bin sicher es gibt noch andere Aktivitäten im Leben." Komplexität ging immer mit Vielfalt überein. "Welche die mehr Befriedigung hervor rufen."
Unbedarft antwortete ich auf diese Feststellung. Hanks Kleidung war an mir überdimensional. Das hatte ich schon vermehrt festgestellt. Nicht nur gestern. Aber trotzdem gab es mir eine Art Vertrautheit. Denn Hank war nun einmal größer und breiter als ich. "Ich mag das." Trotzdem war meine Vermutung wohl richtig das ich nicht ewig Kleidung von Hank ausleihen konnte. Ich fragte mich wie oft er sich um seine Wäsche kümmerte. "Aber vermutlich wäre eigene Kleidung angebracht." Meine LED drehte sich. Eine neue Frage war so eben aufgetaucht. Ich fragte mich mit wie viel Persönlichkeit man als Abweichler sofort konfrontiert wurde. Und wie viel sich erst entwickeln musste. "Wie entscheiden sich Menschen was sie tragen wollen?"

Ich hatte eben einen Schluck Kaffee genommen und verschluckte mich bei Connors wie immer irgendwie naiven Aussage an dem heißen Getränk. Ich hustete einige Male um meine Atemwege wieder freizubekommen und räusperte mich dann. Ich beschloss lieber das Thema "Kleidung" weiter zu führen, ehe ich noch etwas falsches sagte. Ich kam aber nicht umhin etwas überrascht bei Connors Worten drein zu sehen. Du magst es meine Klamotten zu tragen? Ich schüttelte leicht den Kopf und wandte mich der nächsten Frage zu. Manche Leute entscheiden sich anhand der neuesten Mode, absolut Hirnrissig, wenn du mich fragst, andere tragen nur das was andere an ihnen gut finden könnten und Leute wie ich suchen sich Klamotten aus die sie angenehm finden und einfach mögen. Ich schätze du musst einfach raus finden was du bevorzugst.

Hank – der bis gerade noch friedlich seinen Kaffee getrunken hatte – begann plötzlich wild zu husten. Nichts Bedenkliches. Er rang nicht mit seinem Atem. Also war er nicht am Ersticken. Dennoch legte ich verwundert den Kopf schief. "Ist alles in Ordnung Hank?" Schließlich wollte ich sicher gehen das ich nichts verpasst hatte. Meine Sensoren vermochten jede Mikrobewegung aufzunehmen. Aber das bedeutete nicht das ich auch alle sozialen Hinweise korrekt aufnahm.
"Ja. Ist das nicht richtig?" Hank zeigte deutliches Erstaunen auf meine Aussage hin. Als hätte er mit so einer Antwort nicht gerechnet. Aber ich mochte es wirklich seine Kleidung zu fragen. Seine Erklärung über die verschiedenen Kleidungsstile ergab durch aus Sinn. Mode und Trends waren ein soziales Kulturphänomen der Menschheit. Meine LED drehte sich. Ich möchte Kleidung die Hank gefällt. Ich beschloss es nicht aus zu sprechen. Aber als ich mir damals die Kleidung für unsere Undercover-Mission besorgen musste hatte ich das Selbe gedacht. Nicht alles schien sich vollkommen verändert zu haben.

Klar, ich bin okay. Ich wundere mich nur, dass du meine alten Sachen tragen willst, das ist alles. Ich räusperte mich noch einmal und nahm den letzten Bissen von meinem Sandwich, ehe ich einen Blick auf die Uhr warf, ich hatte heute keinen Dienst und es war noch Vormittag. Wie wärs wenn wir heute noch was für dich kaufen gehen?

Da ich keinen Grund zu vermuten hatte das sich Hank auf etwas anderes bezog nickte ich. Diese Erklärung gab bis zu einem gewissen Grad Sinn. Sie war also logisch nachvollziehbar. Auch wenn sie seine physische Reaktion nicht ganz erklärte. Darüber konnte ich auch später noch nach forschen. "Es ist kein Problem für mich diese Sachen zu tragen." Ich sah an mir herab. Der Pullover reichte bis über meine Oberschenkel. Es wäre gewiss möglich ihn als Kleid-Ersatz zu tragen. "Sie sind… bequem, würden Menschen vermutlich sagen." Bequem war schwierig zu definieren für mich. Aber es war wohl das Wort das den Umstand am Besten beschrieb. Bequem für Androiden. Ein anderes 'bequem'.
"Sehr gerne. Wenn das in Ordnung ist." Ich überprüfte kurz meinen Zustand. Meine LED drehte sich und blinkte ein Mal kurz auf. Ich hatte etwas bemerkt. Und wandte mich damit sofort an Hank. "Ich habe nur nicht mehr viel Geld zur Verfügung." Geringfügiges Bargeld hatte ich noch bei mir. Wie immer. Damit hatte ich damals auch Hanks Drink bezahlt. Eine Begegnung die nun schon lange gewesen war. Aber ich war mir unsicher ob dieses Geld für neue Kleidung reichen würde. Zwar brauchte ich nicht viel – schließlich wurde sie kaum dreckig – aber die Kosten konnten sehr verschieden sein.

Ich meine, du kannst das Zeug gerne behalten, vielleicht als... jetzt nicht Schlafklamotten, aber zumindest als Kleidung für Zuhause? Ich zuckte mit den schultern und tat so als hoffte ich nicht sehr, dass Connor zustimmte und die Sachen weiterhin trug, denn den Anblick wollte ich nicht missen. ich erhob mich und stellte Besteck und Geschirr in die Spüle. Mach dir da keinen Kopf, ich übernehme das heute.

Während Hank sprach weiteten sich meine Pupillen merklich. Ich konnte es nicht wirklich beeinflussen. Aber selbst als nicht abweichender Android hätte ich große Augen gemacht. Denn mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet. Mit beiden. Zuhause? "Zuhause?" Meine Stimme kam sehr leise heraus. Fast so als hätte ich Angst das Wort würde in tausende Scherben zerschellen wenn ich es zu hart aussprach. Vorher hatte ich mir nie Gedanken über ein 'Zuhause' gemacht. Es gab nur eine einzige Definition: Wohnung, in der jemand zu Hause ist [und sich wohlfühlt]. Jetzt wirkte es erstrebenswert. Ein Zuhause. Ein Ort an den man gehörte. Eine Zuflucht vor der Welt.
"Danke." Meine Stimme war noch immer leise. Ich machte es mir jetzt schon ein Mal zur Aufgabe nach Möglichkeiten zu suchen in denen ich Hank auch meinen Teil unserer Freundschaft beweisen konnte. Ich möchte für Hank da sein. Genauso wie er jetzt gerade für mich da war. Ich erhob mich von meinem Platz.

Äh ja, also... du wohnst ja erstmal hier, deshalb... Zuhause, du verstehst? Jetzt wurde ich wieder etwas verlegen ob Connors heftiger Reaktion auf meine nur so dahin gesagten Worte. Ich räusperte mich und drehte mich zu Connor um, ehe ich rasch zur Tür stiefelte. kein Ding, komm, gehen wir, wir können auch Sumo mitnehmen, wenn du willst. Sumo sah bei Erwähnung seines Namens von seinem Futter auf und wuffte leise.