Hm... Ich nickte und schwieg wieder eine kleine Weile, ehe ich mit leiser Stimme begann zu erzählen. Ich wählte meine Worte sorgsam aus und doch kamen sie mir nur schwer über die Lippen. Alles begann als meine liebe Frau Mutter eine Affäre mit einem Meta begann, sie dauerte nicht lange und flog nie auf, doch es reichte um ein Kind zu zeugen. Niemand wusste, dass es durch Ehebruch entstand und so wuchs ein kleines Metamädchen, völlig unwissend, zwischen normalen Menschen auf. Mein Blick wanderte in die Ferne und ich zog an meiner Zigarette, die ich bereits fast ausgeraucht hatte. Zusammenbrüche, wie der den du eben erlebt hast begannen mit ihrem zwölften Lebensjahr und hielten an bis sie sechzehn wurde. Der Grund? Nun, in alten Familien kommt es schon einmal zu vererbbaren Krankheiten und psychischen Problemen, nicht? Man war nur froh, dass es endete. Jung wurde das Mädchen verheiratet. Warum lief sie nicht weg, wie es doch so viele Kinder tun? Sie wusste was passieren würde, sie wusste von dem Leid und auch der Freude die ihr ihr neues Zuhause bringen konnten, wenn sie es nur richtig anstellte. Ich bemerkte, dass meine Zigarette ausgebrannt war und legte sie neben mir auf die Liege. Und warum wusste sie das? Nun, dieses Mädchen konnte die Zukunft sehen, all die Zukunftsstränge aus denen sich unser Leben und unser Schicksal zusammensetzt. All die kleinen Bewegungen, die all die unterschiedlichen Ergebnisse ergeben konnte sie sehen und ihnen folgen. Ich sah wieder zu Skye und lächelte sie schwach an. Und um die Geschichte auf dramatische Weise zu beenden, auch wenn du es schon weißt: Dieses Mädchen war und bin ich.

Andächtig lauschte ich der Geschichte, die mir Charlie erzählte, fast als würde sie über eine andere Person sprechen und nicht über sich selber. Wir wussten wohl beide, dass sie von sicher selber sprach, aber ich fragte mich, ob es ihr leichter fiel, die Geschichte so zu erzählen, als ob sie diese gar nicht betreffen würde. Als wäre das alles nur ein Märchen, eine Kurzgeschichte, nicht mehr und nicht weniger. Ich musterte sie langsam, während ich tiefe Züge aus meiner Zigarette nahm, die schließlich mit dem Ende ihrer Geschichte vollkommen ausbrannte. Oh Charlie... Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber ich spürte diesen großen Drang in meiner Brust, einen den ich nicht völlig erklären konnte und ich beschloss ihm nachzugeben. Ich ließ den Zigarettenstummel nicht gerade sehr galant auf den Boden fallen und drückte sie mit beiden Armen um ihre schmalen Schultern geschlungen fest an mich. Das tut mir alles so leid.

Ich wartete auf Skyes Reaktion, unsicher welche Richtung die Zukunft einschlagen würde, die Stränge liefen durcheinander und ich hatte gerade nicht die nötige Konzentration um sie auseinander zu halten und nach Wahrscheinlichkeit zu ordnen. Also machte ich es wie die normalen Leute und harrte meines Schicksals. Schließlich schlang Skye ihre Arme um mich und brachte, zu meiner großen Überraschung, eine Art Entschuldigung vor. Instinktiv legte ich meine Arme um ihre Mitte und drückte ihre weiche Gestalt an mich. Aber, aber, Liebes. Was sollte dir denn leid tun?

Es tut mir leid, dass du das alles alleine tragen musstest., schaffte ich es schließlich zu sagen, meine Arme noch immer fest um Charlie geschlungen. "Was ich bereit bin dir hier zu sagen ist etwas worüber sonst niemand auf dieser Welt bescheid weiß.", hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf und stellte mir vor, wie lange das nun schon der Fall gewesen sein musste. Wie lange sie schon damit zurechtkommen hatte müssen, ohne jede Unterstützung. Ich kämpfte für mehr Freiheit, für Metamenschen wie Androiden, aber das es ausgerechnet jemanden betraf, der mir so nahe stand, schmerzte.

Ich war recht überrascht, dass Skye solches Mitgefühl zeigte, doch wenn ich noch einmal darüber nachdachte ergab es schon Sinn. Ich wusste doch so einiges was die jüngere Frau bewegte und für Metas setzte sie sich besonders ein. Wie ich es ja auch tat, nur aus einem anderen Grund. Einem den sie nun kannte. Ich drückte sie etwas fester an mich und lehnte meinen Kopf an ihren. Es ist nicht deine Schuld. Unsere Kolonie... die ist nun einmal so. Manchmal ist es sicherer etwas zu verschweigen.

Fest drückte ich Charlie noch einige Momente an mich, eigentlich war ich noch überhaupt nicht bereit sie loszulassen, aber trotzdem wollte ich ihr in die Augen sehen, wenn ich mich bedankte. Für ihr Vertrauen, dass sie mir gegenüber gezeigt hatte, obwohl sie leider vollkommen richtig war darin, dass es in dieser Kolonie oft sicherer war, etwas zu verschweigen. Ich tat es immerhin selber auch zur Genüge. Also löste ich mich langsam von ihr und legte ihr dann eine meiner Hände auf ihre schönen, immer etwas dünnen Wangen. Danke, dass du es trotzdem mit mir geteilt hast., flüsterte ich also leise und lächelte schmal, vielleicht etwas bittersüß, aber trotzdem dankbar, mit einem ehrlichen Blick, in dem ich nichts außer Zuneigung und Bewunderung für Charlie hatte, wie eigentlich seit dem ersten Tag, an dem ich ihr begegnet war. Nichts hätte das ändern können, aber das, was ich nun über sie wusste, hatte das eigentlich alles noch verstärkt.

Schließlich löste sich Skye aus unserer Umarmung, doch unser Körperkontakt brach deshalb nicht ab, im Gegenteil, ich spürte rasch wie die weichen, schmalen Hände der jüngeren Frau sich an meine Wangen legten. Ich konnte nicht anders als mich etwas in die Berührung hinein zu lehnen, denn sie tat wohl. Ich vertraue dir. Mein Lächeln war immer noch schwach, doch es war ehrlich und voller Wärme, als ich es Skye im Gegenzug zu dem ihren schenkte. Sie sah wunderschön aus, wie sie mich da so anlächelte, trotz oder vielleicht gerade wegen der leichten Melancholie darin. Wie es wohl wäre sie zu küssen? Dieser Gedanke schoss mir so plötzlich durch den Kopf, dass er mich einfach nur verwirrt zurück ließ, denn so etwas war mir bisher noch nie unter gekommen, noch nie hatte ich so etwas gedacht. Was?

Es tat beinahe ein wenig weh diese Worte zu hören, nicht etwa, weil sie mich nicht freuten, ganz im Gegenteil. Aber trotzdem war es wunderschön, denn es bedeutete mir tatsächlich viel, gerade weil es wahr war. Charlie war wohl neben meinen Brüdern und meinem Kind, sowie meinen Co-Parents, eine der einzigen Personen, die mir wirklich vertrauen konnten. Es war nicht so, dass ich normalerweise Beziehungen einging, die keinen Nutzen für mich hatten, ich suchte immer einen gewissen Vorteil in all meinen Verbindungen, aber Charlie, die Patentante meines Kindes, war tatsächlich zu jemandem geworden, der einfach so wichtig in meinem Leben war, auch völlig ohne direkt zu meiner Familie zu gehören. Auch ohne mehr zu sein für mich, ich hatte es immerhin gewusst, worauf ich mich eingelassen hatte, egal wie schnell mein Herz jetzt vielleicht gerade klopfte. Ich lehnte mich also etwas vor und lehnte meine Stirn an ihre Stirn mit meinem leisen Seufzen. Ich dir auch. Immer. Ich lehnte mich langsam zurück und sah zu Charlie auf. Oh ups... Ich lachte etwas scherzhaft verlegen, meine Zigarette hatte ich wohl vollkommen vergessen, sie war neben der Liege am Boden gelandet, während ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr strich.

Ich schloss die Augen, als Skyes Stirn einen Moment sanft an meine zu liegen kam und hob dann eine Hand, um sie auf die der anderen Frau zu legen, welche noch auf meiner Wange lag, einfach um sie dort zu halten. Ihre leisen Worte, die mir so ehrlich ihr Vertrauen versprachen hallten noch in meinem Kopf nach, während Skye bereits die Zigarette auf dem Biden bemerkt hatte, welche wohl dort hin gefallen war. Ich schnaubte leise, aber doch deutlich amüsiert und zuckte mit den Schultern. Du kannst eine neue haben, wenn du möchtest, Liebes.

Leise entkam mir ein Lachen, das für mich eher war wie ein aufatmen nachdem ich gar nicht erst bemerkt hatte, dass ich offenbar die Luft angehalten hatte. Zumindest hatte es sich so angefühlt, als wäre ich getaucht und würde nun zum ersten Mal wieder erlösende frische Luft in meine Lungen bekommen. Danke. Ich schüttelte den Kopf und fuhr mit meinem Daumen sanft unter ihrer Hand über ihre Wange, während ich sie sanft anlächelte. Ich habe alles, was ich brauche. Dich, wohlbehalten, bei mir.

Ich genoss Skyes weiche Hand auf meiner Wange und ihren zarten Daumen, der darauf auf und ab strich, während ich wirklich nicht dazu bereit war sie los oder gegen zu lassen. Mein Herz klopfte rasch in meiner Brust, doch die unfassbare Erleichterung, gepaart mit etwas Nervosität, dadurch ausgelöst, dass ich mich nach all den langen Jahren endlich jemandem hatte anvertrauen können, durchflutete immer noch meine Adern. Ich bereute es nicht Skye die Wahrheit gesagt zu haben, wenn ich recht darüber nachdachte, dann war sie tatsächlich die einzige Person, bei der ich mir das vorstellen konnte. Sicherlich hatte Clara und Simon ihre Vermutungen, vielleicht der kleine, schlauer LoGen auch, doch ich war mir sehr sicher, dass niemand Gewissheit hatte. Nun, niemand außer Skye. Interessant, dass du das sagst, genau den selben Gedanken hatte ich eben auch. Mein Lächeln war immer noch etwas müde, doch nun um einiges leichter und ich schloss die Augen, um mich nun richtig in Skyes Hand hinein schmiegen zu können.

Etwas verlegen lachte ich, Charlie hatte einfach dieses Talent sogar eine Frau wie mich etwas in Verlegenheit zu bringen, wahrscheinlich zum einen, weil sie einfach so unnahbar wirkte, einfach wie ein Ziel, das niemand jemals erreichen konnte, und zum anderen, wegen ihrer eleganten, erwachsenen Art, eine wahre Dame, wie man sie sich vorstellte. Ich musterte versonnen ihr Gesicht, jede Einzelheit, auch die leichten Falten auf ihren Wangen und unter ihren Augen, während ich niemals meine Bewegungen stoppte, und stattdessen fasziniert beobachtete, wie sie sich in diese hineinschmiegte. Möchtest du... dass ich heute Nacht hierbleibe?

Ich öffnete erst einige Sekunden nach Skyes Frage wieder die geschlossenen Augen und sah der jungen Frau in die dunklen, tiefen braunen Augen. Wenn es dir recht ist, Liebes? Ich weiß nicht wann Clara und Simon zurück kommen und... nun, ich möchte nicht gerne alleine sein. Ich hatte noch nicht an einen eventuellen Abschied denken wollen, doch wenn es soweit gewesen wäre, hätte ich Skye sicherlich selbst danach gefragt mich nicht zu verlassen.

Ich bleibe bei dir., antwortete ich ihr sofort, bevor ich noch auch überhaupt darüber nachdenken konnte. Ich schloss kurz die Augen und überlegte, aber ich hoffte, dass bei LoGen und seinen Vätern alles in Ordnung war, bei uns hatte es größere Unruhen gegeben, bald den Plan von Logan in die Tat umzusetzen und ich musste meinen Sohn nachher unbedingt sehen, aber es war spät und ich würde wohl auch schlafen gehen müssen, selbst wenn ich dann in der Früh wohl bald aufbrechen musste. Wollen wir wieder in die Villa hinein? Ich denke, nach all der Aufregung, bist du vielleicht müde, oder?, fragte ich Charlie also sanft und musterte sie etwas besorgt.

Ich lächelte, nicht ohne Erleichterung und seufzte leise, ehe ich zustimmend Nickte und mich schließlich mit einem leichten Ächzen erhob. Man wird wirklich nicht jünger... Ich schüttelte den Kopf und hielt Skye dann die Hand hin. Weniger um ihr aufzuhelfen, auch wenn das ebenfalls ein Effekt davon war, doch vielmehr um weiterhin in direkten Kontakt mit ihr zu stehen, das brauchte ich gerade einfach zu dringend.