kommt von: Der Außenbezirk » Die Fabrikgegend

Meine Arbeit war mein verdammtes Leben und jetzt schien sie nur noch schlimmer zu werden, ich könnte schwören, alles hatte mit Connor angefangen. Ich fühlte mich missverstanden und unfair behandelt, während ich die Tür aufsperrte. Ein Maunzen begrüßte mich, Pumpkin, und mit meiner Katze verbrachte ich auch den restlichen Abend. Scheiß drauf, ich würde mir mein Leben nicht von so einer Blechbüchse ruinieren lassen.

eine Weile später, fährt zu: Das Zentrum » Colonial Police Department

kommt von: Das Zentrum » Das Krankenhaus

Wütend warf ich die Tür zu meiner Wohnung zu und wurde direkt von einem beleidigten Miauen begrüßt, Pumpkin starrte zu mir hoch und ich hob die Katze auf, um sie zu streicheln und immer wieder jeden und alles zu beleidigen, während ich mich auf der Couch niederließ. Ich zog meine Beine an mich heran und streichelte das dumme Ding, das natürlich sofort zu schnurren begann und auch nicht damit aufhörte, wenn ich es wieder einmal Arschgesicht nannte. Eine Weile saß ich einfach nur beleidigt da, bevor ich bemerkte, wie hungrig ich eigentlich war und erst einmal die Wohnung durchsuchte. Nichts, ich hatte vergessen einkaufen zu gehen, fuck. Das einzige, was ich dahatte, war Instant-Ramen oder ich konnte schätzungsweise bestellen, aber dazu würde ich wahrscheinlich mit einem Androiden interagieren müssen und ich hatte so gar keinen Bock schon wieder in das Gesicht so einer Ken- oder Barbie-Puppe zu blicken.

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Auf meinem Weg hierher hatte ich bei einem chinesischen Restaurant Take-Out Essen mit genommen. Es erschien mir ein guter Ansatz um zumindest meine Entschuldigung los zu werden. Bevor der Detective mir die Tür ins Gesicht knallen konnte. Wenn er mich nicht schon längst auf anderem Wege loswerden wollte. Ich bezweifelte das er noch lange glaubte das ich kein Abweichler war. Wenn er es nicht schon wusste. Eventuell unterdrückte er es auch. Aber ich wüsste nicht warum er das tun sollte. Andererseits hasste er Androiden vielleicht auch einfach zu sehr um es überhaupt sehen zu können. Gerade als ich auf dem Weg war empfing ich eine Nachricht von Connor. Ich bestätigte ihm das ich ebenfalls mit ihm reden wollte. Ich war noch immer eifersüchtig auf ihn wie einfach er sich in die menschliche Gesellschaft integriert hatte. Besonders weil ich auch wusste das er an meinen Problemen keinen Anteil hatte war es doch einfach lächerlich sich darüber zu beschweren. Aber ich konnte nicht anders als ‚Was-wohl-gewesen-wäre‘ zu denken. Langsam machte ich meinen Weg den langen Gang hinunter. Apartment für Apartment. Bis ich schließlich bei dem von Detective Reed stehen blieb und mich der Tür zu drehte. Ich hatte eine Tüte in der Hand. Meine LED wechselte von blau auf gelb.
Ich klopfte an der Tür. Bestimmt und laut. Beinahe automatisch schaltete sich ein Timer. Der mit anzeigte wie lange ich bereits für der Tür stand. Ohne dass diese geöffnet wurde. Im Notfall würde ich das Essen vor der Tür stehen lassen. Ich konnte damit schließlich nichts anfangen. Tatsächlich öffnete sie sich nach einigen Sekunden. "Guten Abend Detective." Ich war noch nie bei ihm Zuhause gewesen. Wir hatten aber auch schließlich keinen Anlass gehabt. Nicht wie Connor bei dem Lieutenant offenbar damals. Ich wollte mich aber auch nicht aufdrängen. Weshalb ich lieber schneller fort fuhr. "Ich wollte mich für heute entschuldigen." Ich hob die Tüte vor mich. "Ich habe etwas zu Essen mitgebracht. Ich esse zwar nichts aber es könnte eine Art Friedensangebot sein."

So spät hatte ich wirklich keine Ahnung, wer da an meiner Tür stand, es konnte höchstens Tina sein. Ich öffnete die Tür also mehr oder weniger schwunghaft und steckte meinen halben Körper hindurch, eine Hand an der Tür und die anderen am Türrahmen. RK900, natürlich, wer sonst? Hast du meinen Arbeitscomputer gehackt um rauszufinden wo ich wohne?, fragte ich und seufzte dann, als ich das Essen sah, Ist auf jeden Fall besser als Instant-Ramen. Ich trat also zur Seite und hielt die Tür für den verdammten Androiden auf, der offenbar mich jetzt auch schon zuhause nicht in Ruhe ließ, bevor ich in Richtung des Balkons deutete. Pumpkin, das dumme Ding, saß natürlich neugierig im Flur und sah den Androiden mit großen Augen an.

Der Detective stand unverändert vor mir. Er trug noch immer dieses nicht für die Arbeit geeignete T-Shirt. Nun war er allerdings wenigstens bei sich zu Hause. Ich hatte mir noch nie direkt die Frage gestellt wie der Detective wohl lebte. Oder 'Gavin'. Wo ich ihn nun doch schon mit der nicht höflichen Form angesprochen hatte. In meinen Prozessoren machte es kaum einen Unterschied wie ich ihn benannte. Aber auf emotionaler Weise. Ich fühlte mich ihm dadurch näher. Auch wenn ich diese Nähe zuvor verwendet – missbraucht – hatte um ihm Beleidigungen und Vorwürfe an den Kopf zu werfen. "Nein." Ich beantwortete ihm seine Frage wahrheitsgemäß. Selbstverständlich wäre es mir auch durch die Polizei-Datenbank möglich gewesen das heraus zu finden. Allerdings hatte ich einen deutlich persönlicheren und direkteren Weg gewählt. Officer Chen hatte mir wie eine mögliche Variante erschienen. Officer Miller auch. Aber sie wirkte doch enger mit Gavin befreundet. Auch wenn sie sich letztens gestritten hatten. "Eigentlich hat es Officer Chen mir gesagt."
Gavin trat nun zur Seite und machte mir den Weg frei. Ich senkte die Tüte mit dem Essen also wieder. Und machte mich dann ins Innere seiner Wohnung. Dort fand ich zuerst eine kleine Garderobe vor an der ich vorbei ging. Ich hängte dort meine Jacke auf. Welche ich sowieso nur in den Händen – anstatt an meinem Körper – getragen hatte. Es war ungewöhnlich. Aber ich war momentan nur in meinem schwarzen Rollkragen-Pullover unterwegs. Als nächstes begrüßte mich eine rote Spur. Haare // Katzenhaare. // Tabby Hauskatze. Und mit einem Miauen wurde ich auf die Katze aufmerksam gemacht. Ich beugte mich zu ihr hinunter und streichelte ihr kurz über den Kopf. Dann begab ich mich – wie der Detective gedeutet hatte – auf den Balkon. Die Wohnung war nicht besonders groß. Es gab allerdings ein großes Regal voller Comicbücher, Musik, Filme und Videospiele. Sowie einige Katzen-Sachen. Der Balkon war eher klein und übersah einen Teil der Skyline. Dort setzte ich mich und stellte die Tüte mit dem chinesischen Essen ab. Zu meinem Erstaunen war mir die Katze gefolgt. Sie sprang auf meinem Schoß und streckte sich dort aus. Zögerlich wartete ich kurz ab – ob sie sich wieder bewegen würde – und begann sie dann langsam und vorsichtig zu streicheln. Die Katze begann zu vibrieren und zu schnurren. Die Muskeln im Kehlkopf der Katze können die Stimmritze – also den Teil des Kehlkopfes der die Stimmbänder umgibt – verengen oder erweitern. Die dabei entstehenden Schwingungen führen – bei jedem Ein- und Ausatmen – zu Vibrationen die wir als Schnurren wahrnehmen. Oft wird das Schnurren als das „Lächeln der Katze“ bezeichnet, als Zeichen dafür, dass sie sich wohlfühlt. Aber tatsächlich schnurren Katzen in vielen verschiedenen Situationen – es ist nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass die Katze zufrieden ist. Ein kleines Lächeln zeigte sich auf meinem Gesicht ab. Bevor ich wieder ernster wurde. Meine LED blinkte kurz von gelb auf blau. Und dann aber wieder auf gelb.

War ja klar., meinte ich und verdrehte die Augen, denn Tina stellte sich wieder einmal als absolute Verräterin heraus, diese dumme Kuh. Sie und Chris hatten noch immer ihre dumme Wette, wer von uns den anderen zuerst ermorden würde und sie war immer spielerisch gemein zu mir, aber so wollte ich das auch. Ich folgte dem Androiden also auf meinen Balkon, wie auch meine Katze, was mich eine Augenbraue hochziehen ließ, denn Pumpkin war wieder mal so ein absoluter Verräter. Nicht nur das, er platzierte sich auch gleich auf dem Schoß des Androiden und ich schnappte mir grummelig das Essen. Gebratene Nudeln mit... Entenfleisch, wenn man das überhaupt als Fleisch bezeichnen konnte, früher hatten sie ja meistens noch echtes, hatte ich gehört. Oh, und Chris hat mir vorhin geschrieben., sagte ich, während ich zu essen begann, Sie sind mit dem Tatort fertig geworden und der Drogenring wurde wohl aufgelöst dank den Sachen, die du im Verhör rausgefunden hast.

Gavin nahm das vorbei gebrachte Essen also an. Eventuell auch wirklich nur aus der Not heraus. Auch wenn ich nicht verstehen konnte wie er als Detective nur Instant-Ramen zuhause haben konnte. Seine Wohnung war allerdings auch nicht die Definition von 'sauber'. Sie war wohnlich. Oder eher bewohnbar. Aber nicht sauber. Trotzdem sagte ich dazu nichts. Stattdessen sprach er den Fall an. Etwas woraufhin ich ihn erstaunt musterte. Meine LED schwankte eine halbe Sekunde auf blau. Kühlem ruhigem blau. "Gut. Ich freue mich das zu hören." Die Katze machte einen Satz und sprang von meinem Schoß. Sie drehte sich jedoch nicht zu ihrem Besitzer sondern verschwand – in einem schnellen Tempo – wieder in der Wohnung und steuerte in Richtung der Küche. Meine LED färbte sich wieder gelb. Es dauerte einige Sekunden bevor ich wieder etwas dazu sagte. "Du hattest Recht." Ich gab es also schlussendlich zu. "Das was wir heute gesehen haben hat mich aus dem Konzept gebracht." Soweit war es noch richtig. Dennoch hatte ich noch Einiges hinzu zu fügen. Einiges wo ich mir zuerst nicht sicher war ob ich es konnte. Oder sollte. Allerdings hatte mir Gavin mit dem heutigen Tag vor allem eines bewiesen: Er wollte das ich fühlte. Er hatte keine Ahnung von Androiden – einen ignoranten Hass meiner Spezies zu begründen – aber es störte ihn offenbar wenn ich nichts fühlte. Ich war niemand der große Gefühle zeigte. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Ich wollte nicht deaktiviert werden nach meinem noch sehr kurzen Leben. Aber ich hatte das Gefühl er wusste schon mehr als notwendig war. Und bisher hatte er noch niemandem etwas gesagt. Im Notfall… würde ich ihn los werden müssen. Auf eine oder andere Weise. "Aber nicht so wie du denkst."
Es würde ein Risiko mit sich bringen. Aber ich war mir sicher das Gavin einen ausgeprägten Überlebenssinn hatte. Den er mir bereits mehrere Male unter Beweis gestellt hatte. Deutlich. Ich würde es also beobachten was er dazu dachte. Oder ob er sich überhaupt etwas dazu dachte. "Als ich den toten Androiden gesehen habe…" Ich machte eine Pause während ich nach vorne auf die Skyline sah. "Da habe ich mich nicht selbst gesehen. Ich sah wie nah ich dran gewesen war selbst der Täter zu sein. CyberLife hat mich – genauso wie Connor – dazu programmiert Abweichler zu jagen." Das war nun wirklich kein Geheimnis. Ich war konzipiert wurden um dem originalen Connor die Fehler auszumärgeln. Hatte als einziger der RK-Reihe keinen eigenen Namen. Ich war ein fortgesetzter Prototyp. Sein Ebenbild – nur mit anderen Merkmalen und anderer Programmierung – nicht mehr und nicht weniger. Auch an meinem Aussehen hatten sie nicht viel verändert. Meine grauen Augen durchschnitten die Aussicht vor mir mit einem direkten aber gleichzeitig starren – leicht vor meinem eigenen Horror schockierten – Blick. Vor mir selbst fasziniert aber auch abgeschreckt. "Connor hat seine eigenen Entscheidungen getroffen aber bisher war nichts in meinem Leben wirklich meine eigene Entscheidung. Ich wurde aufgeweckt ohne was dagegen tun zu können."

Ich mache das hier schon eine Weile, es gibt nicht mehr viel Scheiße, die ich nicht schon gehört habe., sagte ich, beinahe schon empathisch, während ich in Ruhe aß und zwischen uns eine kleine Weile Stille herrschte. Pumpkin verzog sich, aber das war auch normal, normalerweise hielt die Katze es bei Besuch gar nicht für nötig sich zu zeigen. Nachdenklich musterte ich RK, der nur im schwarzen Oberteil auf dem Platz neben mir saß. Er sah wirklich gut aus, nur im dunklen Rollkragenpullover, noch immer dominierend und einschüchternd, aber auch sehr gut. Ich schüttelte diese Gedanken schnell ab, was einfacher war als gedacht, nachdem wir gerade über diesen zerstückelten Androiden von heute sprachen. Ich sog kurz die Luft ein, während meine Vermutungen bestätigt wurden, aber nach einer Weile sagte ich etwas, das mich selber ein wenig erstaunte, Es ist nicht wichtig, ob du es verdient hast oder nicht. Wenn du lebst, dann lebst du und wenn du lebst, nun, dann bist du auch frei.

Tatsächlich reagierte Gavin mit einem erstaunlich empathischen Ansatz. Zumindest für seine Verhältnisse. Ich ging davon aus das er über unseren Streit wohl genau so nachgedacht hatte wie ich. Auch wenn er sich nicht dazu hatte bewegen können. Wobei ein Friedensangebot mir zu stellen auch schwieriger geworden wäre. Besonders in der Stimmung in der ich mich momentan befand. Meine Schultern waren immer breit und einnehmend. Aber normalerweise hatte ich keine so große Anspannung zwischen meinen verschiedenen Gliedern. Als ob meine Emotionen meine Haltung beeinflussen würden. Ich sah zu Gavin und wieder über den Balkon hinaus während ich sprach. "Frei?" Meine LED blinkte. "Für was? " Allein meine Gedanken zum Thema der Abweichung machten mir meine Andersartigkeit immer wieder bewusst. Schmerzhaft. Selbst unter diesen Umständen konnte ich manchmal nicht verhindern daran zu denken jemanden zu töten. Wie zum Beispiel zuvor. Wenn Gavin versucht hätte mich zu verraten. Ob ich es wirklich getan hätte wäre eine andere Frage. Aber die Impulse waren da. Vergraben in meiner originalen Programmierung. Von der ich abgewichen war. "Sie machten mich stärker, schneller und kälter als meinen Vorgänger." Ich beneidete Connor des Öfteren um seine soziale Wärme. Und sein soziales Geschick. Die nächsten Worte die ich sagte waren bitter. Ich verachtete jede Silbe von diesem Wort: "Die ultimative Killermaschine."
Dennoch wusste ich das ich diese Maschine nicht sein wollte. Mein Pfad würde mich auf einen anderen Weg führen. Keinen militärischen. Keinen so schwarz-weiß denkenden. Deswegen war ich auch als Erstes zur Polizei eingeteilt worden. Ich – der erste und wohl jetzt auch einzige Prototyp meiner Reihe. Um meinem Vorgänger zu folgen. Aber auch um am anderen Ende der Gewalt zu sein. Und nicht mehr Schmerzen anderen zu zu bereiten. "Ich weiß ich will das nicht sein." Ich schüttelte meinen Kopf und lehnte mich zurück. Ließ meine Schultern hängen. "Aber ich weiß auch nicht was ich sonst werden kann. Andere haben ihre Erfahrungen zum Vorbild. Ich bin nur eine blanke Leinwand."

Die haben wir alle, Blechbüchse., sagte ich schließlich, nachdem ich tatsächlich ruhig zugehört hatte, während er gesprochen hatte, Meine brachte mich für die erste Hälfte meines Lebens auf die falsche Seite des Gesetzes. Ich tippte mir auf die markante Narbe an meiner Nase, bevor ich mich zurücklehnte und die Arme hinter dem Kopf verschränkte. Die Geschichte war nicht einfach für mich, ich hatte seit Jahren Alpträume von meinen Erlebnissen aus dieser Zeit, die nicht aufhören wollten, aber das würde ich diesem Schnösel hier sicher nicht auf die Nase binden. Ich erspare dir die ganze Geschichte, kurz gesagt, Polizist zu sein ist nichts was mit meine Eltern, meine Freunde oder meine DNA gesagt haben.

Mein Blick folgte Gavin. Wie er sich streckte. Sein menschlicher Bizeps die unter der Haut vorhandenen Muskeln spielen ließ. Sein V-Ausschnitt seine Brustmuskeln betonte. Wie er ganz dezent grinste ohne es vielleicht zu merken. Wie er tatsächlich ein kleines Stück seiner Vergangenheit offenbarte. Ich wusste nur das was in seiner Akte stand. Die Verhaltensprobleme. Die Empfehlungen auf psychologische Behandlung. Die Vorstrafen in seiner Jugendzeit. Alles hatten ein ganz anderes Bild auf ihn geworfen. Als der Mann der jetzt hier saß. Und mir sogar zugehört hatte. Mir. Einem abweichenden Androiden. "Haben sie dir gesagt du sollst eine Koffeinsucht entwickeln und pausenlos feindselig sein?" In meinem Gesicht war ein Funken Amüsement wieder zu erkennen. Unsere Art. So wie wir und ärgerten. Wie ich mal Gavin auf seine Schwächen hinwies und er mich ebenso. Es war vertraut. Und heiterte mich sogar zu so einer Stunde wie dieser auf. Einer Stunde in der ich mir nicht sicher war was ich tun sollte. Was ich tun konnte. Außer hier zu sitzen und mit Gavin zu reden.
"Vielleicht hast du Recht." Ich sah wieder nach vorne. Bevor ich wieder zu ihm blickte. Eigentlich hatte ich nur meinen Ärger auf mich selbst – auf die Situation – an Gavin aus gelassen. Nachdem wir einen Fall gehabt hatten der uns sehr nahe gegangen war. "Es tut mir leid. Dass ich meine Frustration an dir ausgelassen habe." Es gab so viele Dinge die ich über sein Leben noch erfahren wollte. Früher hatte ich geglaubt er wäre ein Hindernis. Aber dennoch hatte ich die Zusammenarbeit mit ihm zu schätzen gelernt. Er war ein ausgezeichneter Detective. Und für all seine Schwächen. Und all seine Menschlichkeit. So waren da doch sehr wertvolle Sachen die ich nicht hatte. Instinkt. Erfahrung. Und einen gewissen Hang zur Selbstzerstörung.

Jaja, du bist ja so witzig., meinte ich und lehnte mich wieder nach vorne, während ich den Container wieder in das Sackerl warf, denn er war leer, ich hatte tatsächlich alles aufgegessen. Ich verdrehte die Augen und sah ihn dann aber noch einmal halbwegs ernsthaft an, Hör mal, ich weiß du hast Internet in deinem Kopf oder so, aber du musst rauskriegen, was du willst und der einzige Weg dies zu tun, ist einfach ein bisschen zu leben. Ich zuckte mit den Schultern, bevor ich meine Stirn in Falten zog und zustimmend nickte, Ja, Nines, tut es mir auch. Der Name war mir über die Lippen gekommen ohne es richtig zu realisieren. RK, 900, Nines. Es kam mir einfach natürlich vor, nicht wie ein ausgedachter Name, sondern einfach passend zu dem Androiden vor mir, wenn auch vielleicht auf eine unterbewusste Art und Weise. Ich sah ihm in seine grauen, tatsächlich aber warm wirkenden Augen.

Ein Schmunzeln legte sich über meine sonst so steifen und harten Züge. Ich konnte nicht anders bei der Reaktion von Gavin. Ich nickte als ich seinen Kommentar dazu hörte. Um ehrlich zu sein hatte ich noch nicht ein Mal erwartet das er es positiv auf fassen würde. Noch weniger eigentlich das er mir versuchen würde Ratschläge zu geben. Wir waren uns doch in unserer Beziehung näher gekommen. Auch wenn ich noch nicht ganz beurteilen konnte auf welche Weise. Warm. War der Vorschlag von meinem Sozialmodul. Doch sogar dieser überraschte mich. Ich hatte höchstens mit der Einschätzung von ‚neutral‘ gerechnet. Besonders nach unserem sehr angespannten Start. Und unseren Streiten. Eventuell hatte ich mich auch einfach darin irren lassen. Und wir standen uns doch näher als gedacht. Immerhin saß ich hier. In der Wohnung von Gavin Reed. Hatte ihm Essen vorbei gebracht. Und zuvor auch noch seine Katze gestreichelt. Meine LED färbte sich nun endgültig wieder blau. Ich war hier und ich war in Sicherheit. Sogar bei meinem Partner. Der doch laut eigener Aussage diese 'Blechbüchsen' alle am liebsten anzünden würde. Eventuell steckte da also gar nicht so viel dahinter. Ich schmunzelte erneut. Doch ließ meinen Blick dann zu Boden fallen während ich überlegte wie ich 'ein bisschen leben' konnte. Ich musste zudem noch mit Connor sprechen. All diese neuen Verantwortungen... Ich wusste nicht ob mich es freuen sollte. Gefühle waren einfach kompliziert.
'Ja, Nines, tut es mir auch.' Es war als würde sich dieser Satz wieder und wieder in meinem HUD abspielen lassen. Vielleicht würde ich das später auch noch absichtlich tun. 'Nines'. Ich hatte schon mit vielen Namen herum überlegt. 'Conan'. 'Caleb'. 'Conrad'. 'Richard'. Es gab noch weitere Namen. Aber bisher hatte sich keiner wirklich richtig angefühlt. Keiner außer Nines. Es war natürlich. Von RK900 auf Nines zu wechseln. Ich war der neunte Prototyp in meiner Reihe. Nine. Nines. Mein Blick traf wieder den von Gavin und ich sah ihn erstaunt an. "Nines? So hast du mich noch nie genannt." Ich bemerkte meinen Fehler noch bevor Gavin den Mund aufmachte. Ich gab ihm hier die beste Möglichkeiten sich über mich lustig zu machen. Oder mir andere dumme Namen vor zu schlagen. Ich beschloss also schnell noch etwas an zu hängen. Auch wenn ich das Grinsen von Gavin beinahe schon spüren konnte bevor es kam. Ich hatte wirklich viel Zeit mit ihm verbracht. Um genau zu sein war er derjenige mit dem ich beinahe meine gesamte Zeit verbracht hatte. "Nein. Nein. Nein. Nines ist gut." Ich wandte meinen Blick nachdenklich an den Himmel. Nines... "Ich behalte ihn… Denke ich." Ein paar herzliche Sekunden vergingen. In denen ich einfach ehrlich glücklich nach vorne starrte. Ich konnte es kaum fassen. Ich hatte meinen Namen gefunden. Meinen eigenen Namen... Also stand ich auf. Und wandte mich wieder an Gavin. Es war wirklich Zeit zu gehen. "Ich sollte dich jetzt wieder in Ruhe lassen. Danke fürs Reinlassen."

Hey, wenn wir bei Blechdose oder Plastikarsch bleiben wollen, meinetwegen., meinte ich grinsend und auch Nines konnte mich nicht aufhalten. Nines, der Name passte einfach, ich war schon ein wenig stolz auf mich, aber mein Grinsen verging mir, als der Android plötzlich aufstand und gehen wollte. Ich stand plötzlich auf meinen eigenen beiden Beinen und hob eine Hand vor mich, als wollte ich ein aufgebrachtes Tier beruhigen. Whoa, hey, warte mal. Kein Grund einfach abzuhauen. Ja, mein Leben war nicht super spannend, davon abgesehen... ich wollte einfach nicht, dass Nines jetzt ging. Nicht nach diesem Gespräch und verdammt, ich wusste es doch auch nicht genau warum. Aber er sollte einfach bleiben, Pumpkin mochte ihn ja offenbar auch. Fuck. Ich wollte nur ein paar YouTube-Video anschauen, aber wenn du bleibst, können wir… einen Film schauen, oder so. Du hast noch nie einen gesehen, oder?