Zufrieden darüber, dass meine Aktion Arthur nicht störte ließ ich meinen Arm wo er war und lächelte den jüngeren Mann strahlend an, ehe ich wieder nach vorne sah und überlegte wie ich die Sache mit den Handschellen möglichst kinderfreundlich erklären konnte. Weißt du Sweetie, es gibt Leute, die darauf stehen, jemand anderen in Handschellen zu sehen.

Wenigstens hatten mir die Zwillinge während unserer Schulzeit irgendwann einmal erklärt, dass "stehen" noch eine andere Bedeutung haben konnte und so ersparte ich mir eine planlose Frage. Also gefällt ihnen das?, fragte ich etwas schüchtern nach, nachdem ich mir einfach nicht vorstellen konnte warum oder in welchem Kontext.

Genau. Sie legen ihrem Partner Handschellen an und... Ich unterbrach mich und lächelte Arthur süß an. Ich glaube das erkläre ich dir ein anderes Mal. Wollen wir jetzt zum Wahrsager?

Mein Kopf versuchte gerade den Sinn bei "seinem Partner Handschellen anlegen" zu suchen, aber es fiel mir wieder nur das Training von Polizisten ein. Inzwischen standen wir aber direkt vor dem Wahrsagerzelt, also gab es erst einmal anderes zu tun. Okay. Ich hielt den Vorhang zum Zelt für ihn auf und lächelte breit zurück.

Danke. Ich macht einen Knicks, lächelte spielerisch und trat ins Zelt ein. Ich hatte das Gefühl gegen eine feste Wand aus Räucherstäbchenrauch zu rennen. Ich war kurz davor zu husten, schaffte es aber das zu vermeiden. Im Inneren des Zelts war alles in ein rötliches Licht getaucht, Pölster und Tücher bedeckten jeden Zentimeter des Bodens und der Stoffwände. Obwohl es draußen kühl war, war es hier drin brinahe schon stickig heiß. In der Mitte des Zelts saß ein... Mann. Vermutlich war es einer. Schwierig zu sagen unter den 20kg an Schminke und den roten Tüchern über seinem ganzen Körper. Na Halleluja.

Ich kicherte belustigt über seinen Knicks und folgte ihm dann ins stickige Zelt hinein, indem eine Person mit langen Haaren, die in viele Tücher gehüllt war und auch einige andere Verzierungen trug. Neugierig musterte ich die Person, die in diesem Moment zu uns aufsah und mit tiefer Stimme redete, "Kommt herein, Bonifazius, der Wahrsager heißt euch willkommen." Er holte einmal tief Luft, während er eine Hand auf seine Kugel vor sich gelegt hatte und auf die Kissen vor sich deutete. "Setzt euch doch, Kind des Bösen und Kind des Guten." Etwas verwirrt sah ich zwischen Xeno und ihm hin und her, beschloss dann aber, dass er das vermutlich einfach zu jedem sagte, der sein Zelt betrat und setzte mich neugierig auf eines der Kissen.

Wie bitte, was? Ich zog irritiert eine Augenbraue hoch, doch folgte dann Arthur, um mich neben ihn zu setzen. Ich überprüfte unauffällig, ob meine Verkleidung saß. Ja, das tat sie. Vermutlich einfach nur ein Zufallstreffer, weil ich schwarze Haare hatte und Arthur blonde. Ich lächelte den Wahrsager, Bonifazius, strahlend an und tat ganz begeistert. Bitte erleuchte uns mit deinen Weisheiten.

Der Mann vor uns musterte uns einmal mit etwas verschleiertem Blick, nicht nur, weil die Tücher teilweise auch in sein Gesicht hingen, und lächelte dann. "Selbstverständlich, das Trinkgeld-Glas ist übrigens direkt hier rechts." Kurz war der Bann wie gebrochen, schließlich störte das doch etwas die Stimmung, ich nickte nur kurz, aber er fuhr auch sofort wieder in seiner "Wahrsager-Stimme" fort, während er uns einmal genau musterte. "Ich sehe ihr seid zwei Betrüger der Gefühle, die ihr euch gefunden habt." Nervös knetete ich auf meinen Händen hin und her, während ich mir überlegte, ob es denn nun tatsächlich möglich war, dass der Mann von meiner Metafähigkeit wusste, aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen wie und warum Xeno auch ein Betrüger sein sollte. Bei diesem Gedanken fiel mir allerdings auch auf, dass ich ihm nie wirklich erzählt hatte, was für eine Fähigkeit ich nun hatte, was aber vielleicht auch gar nicht so blöd war, nicht, dass er dadurch Schlechtes von mir dachte. "Wollt ihr einen näheren Einblick in eure gemeinsame Zukunft oder eure gemeinsame Gegenwart?"

Zwei Glückstreffer! Auch wenn ich nicht so ganz verstand was Arthur getan haben könnte, aber mich ließ das alles nun doch etwas unrund werden. Wahrsagen war doch nur Blödsinn. Aber was wenn der Wahrsager ein Metawesen mit entsprechender Fähigkeit war? Ich lächelte Arthur beruhigend an, ehe ich etwas Geld aus meiner Brieftasche zog. Es war nicht viel, aber ich achtete darauf, dass der Mann vor uns nicht sah wie viel ich tatsächlich hinein warf. Die Gegenwart! Das war vielleicht etwas sehr schnell gekommen, aber ich wollte nichts von einer "gemeinsamen Zukunft" hören. Der Gedanke daran ließ mich fast ausflippen, auch wenn das alles hier nur gelogen war.

Xenos Lächeln erwiderte ich sofort und sichtlich dankbar, was deutlich angenehmer war, als die Vorstellung alleine hier zu sein, auch wenn ich es ja eigentlich vorgeschlagen hatte. Ich hatte nur nicht erwartet, dass es so intensiv sein würde. Es fühlte sich beinahe so an, als wäre man in diesem Zelt in einer ganz anderen Welt als am Weihnachtsmarkt draußen, aber ich versuchte hier einfach meine Gedanken stoppen zu lassen, bevor das ADHS wieder Überhand nahm. "Nun gut, aber sei gewiss, dass du vor dieser Veränderung nicht ewig davonlaufen kannst.", sagte der Wahrsager zu Xeno und sah dann nachdenklich in seine Kugel, bevor er sich eindeutig an mich wandte, "Und du, bevor wir beginnen: Versuche, die Welt eines anderen zu verstehen." Er fuhr mit seiner Hand die Rundungen der Kugel entlang, während es schien, als wäre er in Trance. Was genau er mit dem Tipp für mich gemeint hatte, konnte ich nicht verstehen, aber andererseits hatte ich auch den für Xeno nicht wirklich verstanden.

Ich zwang mich dazu einen tiefen Atemzug zu nehmen, wobei ich gleich eine Lunge voll Rauch mitnahm und nun doch zu husten anfing. Als ich mich wieder beruhigt hatte setzte ich erneut ein Lächeln auf und sah dem Mann in seiner "Trance" zu. Ich konnte es kaum erwarten hier raus zu kommen und dann am besten ins Geisterhaus zu gehen um das alles hier wieder zu vergessen. Und vielleicht auch Arthur wieder näher zu kommen. Er wirkte auch nicht gerade glücklich. Aber hey, das hier war ja nicht meine Idee gewesen.

Der Wahrsager schwankte noch ein wenig hin und her, bevor er seinen Rücken wieder gerade streckte und uns beide musterte. Ich hatte inzwischen Xeno einen leicht besorgten Blick zugeworfen, da er gehustet hatte und legte vorsichtig meine Hand auf sein Bein, auf eine Stelle, die ich momentan erreichen konnte und lächelte ihm sanft zu. Ich wollte nur, dass er wusste, das ich auch versuchte auf ihn Acht zu geben, nachdem er auf mich auch schon aufgepasst hatte. "Ich sehe einen Schleier, der zwischen euch ausgebreitet scheint...", begann der Wahrsager zu sprechen, während seine Kugel in verschiedenen Farben, für mich faszinierend, leuchtete, "Aber genauso viele Zusammenhänge, Gemeinsamkeiten. Ich spüre eine Energie, eine Leidenschaft, die euch verbindet. Ihr habt gemeinsam etwas, was nicht viele von sich behaupten können und das solltet ihr für euch nutzen. Ihr beide zieht die richtigen Personen geradezu an und am Ende des Weges wartet die totale Erfüllung." Etwas unruhig rutschte ich auf der Stelle hin und her, da das Ganze wirklich etwas intensiver war, als gedacht, aber andererseits klang zumindest dieser letzte Teil eigentlich wirklich positiv. Der Wahrsager schien mit seiner "Prophezeiung" fertig zu sein.

Ich spürte Arthurs Hand auf meinem Knie und sah ihn kurz mit leichter Überraschung im Blick an, ehe ich ihn sanft anlächelte und mich wieder dem Wahrsager zu wandte, der erneut zu sprechen begann. Tatsächlich half Arthurs Hand auf meinem Bein mir etwas. Ich legte meine Hand über seine und versuchte nicht zu viel in die Worte des Mannes uns gegenüber zu interpretieren. Bestimmt hatte er nur die Spannung zwischen uns bemerkt und, dass ich Arthur an die Wäsche wollte. Genau, das war es. Als der Wahrsager verstummte entspannte ich mich wieder etwas und warf noch etwas Geld in das Glas, ehe ich aufstand und Arthur die Hand hinhielt, um ihm aufzuhelfen. Ja dann, danke für das wahrsagen, wir gehen jetzt, komm Arthur.

"Vielen Dank.", bedankte sich der Wahrsager bei Xeno, welcher noch etwas Geld in das Glas gab und mir dann seine Hand anbot, um mir aufzuhelfen, welche ich dankbar annahm und mir aufhelfen ließ. Der Wahrsager zündete in der Zwischenzeit noch ein Räucherstäbchen an und flüsterte leise, "Folge beruhigt den Mächten der Finsternis, Arthur." Alleine, dass er mich mit meinem Namen ansprach war gruselig genug, auch wenn Xeno ihn davor gesagt hatte und deshalb zog ich jenen auch einfach direkt mit mir aus dem Zelt. Tschüss, danke., hatte ich mich noch verabschiedet und erst einmal genug beschlossen, dass ich genug hatte von dem Wahrsager, der doch etwas gruselig gewesen war.

Als wir endlich draußen waren atmete ich erst einmal mehrmals tief die kalte Abendluft ein, wobei ich immer noch Arthurs Hand festhielt. Warum mich das was der Wahrsager gesagt hatte so sehr verschreckt hatte konnte ich selbst nicht sagen, eigentlich war es mir doch völlig egal was andere sagten und das ganze Wahrsagen war ja sowieso nur gelogen. Tja, das war einmal ein Erlebnis, was? Ich sah wieder zu Arthur und lächelte ihn an.