Zwar hätte ich mich auch vollkommen damit abgefunden alleine hier zu sitzen erstmal, ich war zwar nicht gerne alleine, aber es war jetzt nicht so, als ob ich nicht auch alleine sein konnte, obwohl ich nie wusste, wie ich ein Gespräch anfangen sollte, fühlte ich mich sehr oft eher einsam. Ich war auch nicht gerade jemand, der sich einfach mit anderen anfreundete. Ich nickte Julieta zu und sah ihr kurz nach, bevor plötzlich etwas kleines in meinem Augenwinkel sich schnell auf mich zubewegte. Alejandro?, fragte ich, bevor ich im nächsten Moment auch schon in zwei Knopfaugen starrte, von einer Ratte mit grauem Fell. Hallo, Alejandro., begrüßte ich, nun wo ich wusste wer gemeint war, Alejandro, und lächelte ihm erstaunlich sanft zu, bevor ich ihm vorsichtig meine rechte Hand hinhielt, nachdem ich meinen Handschuh abgenommen hatte, damit er daran schnuppern konnte. Ralph sollte dich vielleicht besser nicht kennenlernen. Die arme letzte Ratte.

Alejandro wollte sich nicht aufhalten lassen, er war nun einmal ein Troublemaker, wollte immer neue Sachen kennenlernen und begab sich in Gefahr. Wenigstens reagierte Blythe nicht negativ auf das kleine Wesen, sondern ließ es sogar an ihrer Hand schnuppern, was das junge Männchen auch gleich freudig tat, ehe er sogar seine kleinen Vorderfüßchen auf die Finger der Heldin stellte. Ich trat vorsichtig an den Tisch heran und beobachtete was geschah, während ich mit einer Hand an den ausgefransten Enden meiner Ruana spielte. Alejandro ist sehr neugierig, er scheint dich zu mögen.

Die kleine Ratte kam mir tatsächlich auch noch ein Stückchen näher und ich ließ ihn sich bei mir abstützen mit seinen winzigen Fingerchen, die ich kurz musterte. Für eine Ratte in dieser Kolonie wirkte er sehr wohl genährt und hatte auch ein schönes Fell, es war mehr als nur eindeutig, dass sich um ihn wohl in gewisser Art und Weise gekümmert wurde, wahrscheinlich durch Bruno. Bruno kam nun auch näher, aber ich sah ihn nicht direkt an, meinen Blick weiterhin auf die Ratte gerichtet. Ich mag ihn auch., antwortete ich schließlich mit einem etwas weicheren Unterton, bevor ich leiser hinzufügte, Tiere sind einfacher als Menschen. Es war eine kleine Andeutung, denn ich tat mir wirklich schwer mit anderen zu sprechen, Bruno sollte sich auf keinen Fall schlecht fühlen, ich wusste, wie ich wirken konnte, ob ich es wollte oder nicht, sozial begabt war ich auch nicht gerade.

Ich atmete leicht auf, wobei ich nicht einmal bemerkt hatte, dass ich die Luft angehalten hatte, als Blythe bestätigte Alejandros Zuneigung zu erwidern, auch wenn ihr Verhalten davon eigentlich gesprochen hatte. Man konnte nie sicher genug gehen. Eine andere Ratte, diese hier weiß, mit roten Augen, kletterte auf meine Schulter und sah sich interessiert das Treiben an. Das ist Blythe Maria. Ich konnte nicht anders als der weißen Ratte die große Frau mit Namen vorzustellen. Mit meinen Ratten sprach es sich sowieso viel leichter als mit anderen Menschen. Ein Gedanke, den Blythe direkt aus meinem Kopf zu nehmen schien, als sie leise weitersprach. Gruselig. Sie sind nicht so Urteilsfreudig.

Neugierig sah ich jetzt doch wieder zu Bruno, zu der Ratte, die auf seine Schulter geklettert war, eine weiße dieses Mal, sie waren noch seltener als die anderen Ratten, Ratten waren aber auch eine der wenigen Tiere, die sogar in diesen unfreundlichen Zeiten überhaupt noch halbwegs überleben konnten, zumindest innerhalb der Kolonie, wer wusste schon, wie es außerhalb aussah. Ich winkte der kleinen Ratte ebenfalls zu. Hallo Maria. Ich fragte mich, ob sie alle Namen hatten und wie viele Ratten Bruno wohl noch so dabei hatte oder kannte. Ob er sie alle auseinanderhalten konnte? Ich sah wieder zu Alejandro und hob vorsichtig einen Finger an, um zu versuchen, über sein kleines Köpfchen zu streicheln. Außerdem muss man nicht wirklich... reden. Mit Worten und so., fügte ich noch zu Brunos Aussage hinzu, bevor ich zögerlich fragte, Haben alle Ratten Namen? Oder... kennst du überhaupt noch mehr?

Maria gab ein leises Quietschen als Begrüßung von sich, als sie ihren Namen hörte, und setzte sich auf die Hinterbeine. Ich hob eine Hand und streichelte mit dem Zeigefinger über ihre Flanke, nur ganz sanft, damit sie nicht von meiner Schulter fiel. Alejandro ließ sich das Streicheln auch gefallen, er liebte es beachtet zu werden, verlor dann aber sein Interesse an der ganzen Sache und huschte über den Tisch davon, vermutlich um irgendwo anders Ärger zu machen. Er würde wieder kommen, sie kamen immer wieder. Das stimmt allerdings. Es fiel mir meistens schwer mit anderen Menschen zu reden, das hatte es allerdings auch schon vor meiner Isolation, ich war zu awkward für die meisten, zu still, zu zurück gezogen, das ganze hatte sich aber natürlich nicht eben vergessen als ich komplett aufgehört hatte mit anderen Personen meiner eigenen Art zu sprechen. Oh ja, sie haben alle Namen und natürlich kenne ich noch mehr. Meine Augen leuchteten auf, als es um dieses Thema ging, denn ich liebte meine Ratten wirklich sehr. Ich griff in meine Taschen, unter der Ruana, und zog noch zwei Ratten hervor, die eine grau, die andere braun. Das sind Augustin und Isa.

Vielleicht konnte man sogar ein winziges Stück Belustigung auf meinem Gesicht erkennen, als maria zuerst offenbar auf ihren eigenen Namen reagierte und Alejandro dann auch gleich schon weiterraste, ein reges Treiben, das ich mit ruhigem Blick verfolgte. Ich lächelte Bruno schmal zu, froh darüber, dass er das so ähnlich sah, ich kannte sonst nicht so viele Leute, denen das auch schwieriger fiel. Aber wie hätte ich auch normale Kommunikation lernen sollen bei meiner liebsten Mutter? Allerdings wurde ich dann sehr aufmerksam, als ich bemerkte, wie sich regelrecht sein gesamtes Gesicht aufzuhellen schien, nachdem ich nach den Ratten gefragt hatte. Ratten, das war also ein gutes Thema, über das wir uns unterhalten konnten. Hallo Augustin, hallo Isa., grüßte ich die zwei neuen Ratten und legte dann neugierig, aber auch ein wenig amüsiert den Kopf schief, Hast du ihnen die Namen gegeben? Und trägst du sie immer mit dir herum?

Isa war eine ungewöhnlich große Ratte, während Augustin insgesamt nicht sehr auffällig war, allerdings zappelte er mehr in meiner Hand, weshalb ich ihn zurück in seine Tasche steckte und Isa dafür begann zu streicheln, was dieser nur recht war. Genau, das war ich. Maria begann an meinen Haaren zu knabbern, aber ich hielt sie nicht davon ab, denn meine langen Strähnen waren sowieso, so wie meistens, das reinste Nest. Es sind immer welche bei mir, mal mehr, mal weniger. Sie dürfen gehen wohin sie wollen, ich halte sie nicht fest.

Die Ratten schienen regelrecht auf Bruno herumzuturnen, als wäre er ihr großes Klettergerät, aber auch definitiv ihr Bett, ich war mir sicher, es schliefen auch Ratten in seinen Taschen. Ich hatte wirklich selten jemanden in dieser Kolonie erlebt, der so verbunden mit Tieren zumindest wirkte, auf jeden Fall mit Ratten, ich wusste ja nicht, wie es mit dem Rest der Tierwelt aussah. Es gab kaum noch wild lebende Tiere, aber so wie Bruno von ihnen sprach, mussten diese Ratten wohl schon immer wild lebend gewesen sein, vermutlich hatte sie irgendwo im Untergrund noch überlebt. Ratten sollen sehr intelligent sein. Ich bin sicher, sie können das wertschätzen., gab ich meine Meinung dazu und musterte ihn dann leicht, Wo hast du die vielen Ratten nur her?

Und wie sie das sind, du müsstest sehen wie sie Schauspielen können. Liebevoll hob ich Isa vor mein Gesicht und erhielt dafür eine kleine Kralle auf meiner Nase. Isa ist besonders begeistert von großen, dramatischen Rollen, nicht wahr? Ein leises Quetschen war die Antwort und ich lächelte leicht, aber liebevoll, ehe ich die Ratte wieder runternahm und sie wieder streichelte. Wir hatten viel Zeit uns anzufreunden vor... ein paar Jahren. Ich verstummte und sah wieder nur Isa in meiner Hand an, mein gesicht verschloss sich wieder, ich zog die Schultern hoch.

Schauspielen? Das hatte mich nun ehrlich überrascht, normalerweise war mein Gesichtsausdruck immer ein wenig stoisch, ich konnte nichts dagegen tun, es war mir immerhin buchstäblich so eingeprügelt wurden, außerdem hatte ich... laut einem der Anführer der Mission COURAGE persönlich ein "Resting Bitch Face", was dem sicherlich auch nicht verhalf. Nun sah ich Bruno allerdings doch mehr als nur erstaunt an, denn wer hatte bitte jemals über Ratten so gesprochen, dass sie schauspielern konnten? Das war doch beinahe schon etwas absurd, allerdings waren auch so einige Dinge absurd und noch immer irgendwie normal. Ich beschloss lieber beim Thema Ratten in diese und nicht in die andere Richtung zu bleiben, als ich bemerkte, wie sich Brunos Gesichtsausdruck sogar für mich erkenntlich sich verschloss. Könnte ich so eine Vorstellung wirklich einmal sehen?

Oh ja, sie sind gute Schauspieler... Meine Stimme kam mir sehr weit weg vor und ich streichelte Isa einige Momente völlig still und sonst unbeweglich, den Blick auf etwas gerichtet das nicht da war, ehe mir diese leicht in den Finger biss und mich damit wieder etwas zurück in die Realität holte. Blythes Frage schaffte es auch mich etwas zu erden und ich blinzelte ein paar Mal, ehe ich schüchtern lächelnd nickte. Klar! ich meine... wenn du willst, sicher. Willst du eher ein Stück sehen oder unsere Telenovela? Sie heißt "Las ratas del Encanto".

Bruno wirkte beinahe etwas abwesend, etwas das ich mir nicht leisten konnte, deshalb fiel es mir auch auf, normalerweise war ich immer in Bereitschaft, einfach nur falls etwas passierte oder eine Gefahr drohte, es war mir immerhin auch irgendwie eingehämmert geworden. Allerdings holte ihn dann doch offenbar wieder etwas in die Realität zurück und ich musterte ihn, war allerdings zufrieden damit, dass er zumindest etwas lächelte. Uhm, was genau ist eine... Telenovela? Ich war mir nicht einmal sicher, ob ich das richtig aussprach, während ich beinahe schüchtern nachfragte. Ich hatte nie wirklich Zeit gehabt um Medien im allgemeinen zu konsumieren, ich hatte es auch lange nicht mehr gerne getan, immerhin war ich doch ein wenig abgeschottet gewesen, dank meiner Mutter, ich fragte mich schon ein wenig, wie viel ich da verpasst hatte, aber immerhin ließ ich mich davon nicht ablenken.

Ich wirkte nun doch wieder aufgeweckter und begann zu gestikulieren, als ich die Art von Unterhaltung, die ich seit Kindertagen so sehr geliebt hatte, erklärte, auch wenn ich natürlich darauf achtete Isa nicht zu sehr durchzuschütteln.Eine Telenovela ist eine Serie, die meistens täglich ausgestrahlt wird und eine sehr dramatische Liebesgeschichte erzählt, es geht meistens um eine weibliche Hauptfigur, die versucht Liebe zu finden, aber die Umstände sind immer sehr ungünstig. Isa spielt gerne die bösen Gegenspieler, nicht wahr? Das tust du. Ich wandte mich beim letzten Teil wieder der großen Ratte in meiner Hand zu, die mir fast zuzustimmen schien, wie sie da so mir hochsah.

Huh., machte ich erstaunt, denn so eine Serie hätte ich mir vermutlich nicht in meinen wildesten Träumen angeschaut. Es war nicht so, dass ich romantisch aromantisch war oder so etwas, aber es war nun einmal nicht so, dass ich mich mit Romanze groß identifizieren könnte, denn in meinem Leben hatte es niemals eine gegeben. Vielleicht einer der Gründe, warum ich mir immer Freunde aussuchte, bei denen die Chance auf so etwas gar nicht erst in den Sternen stand. Ich fühlte mich sofort unsicher bei diesem Gedanken, aber ich drängte ihn schnell beiseite und nickte Bruno zu, ich hatte verstanden, was eine Telenovela war. Okay, ich würde gerne eine einmal sehen., stimmte ich dann zu und grinste kurz leicht, Besonders wegen Isa.