Ich versuchte meine Trauer abzuschütteln so gut es ging und warf Bruno ein dankbares Lächeln zu, dass er Blythe eben auch geantwortet hatte, ehe ich eben dieser freundlich zunickte. Und bis dahin wird sich Pepa bestimmt gerne um sie kümmern, sie kann sehr gut mit Kindern. Auch wenn wir uns am Ende sowieso alle um das Mädchen kümmern würden, ich war auch gut mit Kindern und Bruno liebte sie auch sehr, so unsicher er auch mit ihnen war.
Ich lächelte Blythe vorsichtig an, als sie mir zunickte und sah dann selbst auch zu Julieta, deren Lächeln das meine gleich noch etwas erhellte. Solange sie sie nicht anregnet. Das war bei Pepa immer eine Gefahr, wir waren zwar daran gewöhnt, aber das kleine Mädchen natürlich nicht, es blieb nur das beste zu hoffen.

Ich nickte noch einmal, ich wollte meine Worte von zuvor nicht schon wieder wiederholen, es klang gut, definitiv besser als alles, was ich sonst damit tun konnte, sie würde hier wohl vorerst in besten Händen sein, alles andere kam dann nachher. Statt noch etwas zu sagen, erwiderte ich das Lächeln von Bruno ganz schmal und wahrscheinlich etwas unbeholfen, bevor ich leise über den Spruch mit dem Regen schnaubte, denn der war schon lustig, das musste sogar ich zugeben.

Ich schnaubte leicht, aber doch amüsiert über Brunos Aussage, wie Blythe es auch tat, denn es war leider sehr wahr und doch auch irgendwie immer noch sehr lustig, Pepas Emotionen waren sehr stark und nun eben direkt mit dem Wetter verbunden, was zu einigen witzigen, aber auch gefährlichen Situationen führte. Mamá fand das natürlich gar nicht lustig, wenn Pepa die Kontrolle verlor, aber sie war ja jetzt nicht da und wenn sie nicht dabei war hatten wir sehr viel mehr Freiraum.
Meine Augen leuchteten auf, als ich beide Frauen zumindest amüsierte, bei Blythe war ich mir nicht völlig sicher, ganz anders als bei meiner Schwester, aber ganz schlecht konnte auch das Schnauben der großen Heldin nicht sein. Etwas selbstsicherer traute ich mich nun noch eine Frage zu stellen, auch in dem Versuch das Gespräch wieder ein bisschen anzukurbeln, etwas worin ich normalerweise nicht sehr gut war. Also... bleibst du noch zum Essen?

Einen Moment schien meine sonst eher strenge Fassade doch etwas zu schmelzen und ein leichtes Schmunzeln kam dahinter hervor, als Julieta die Aussage von Bruno offenbar genauso lustig empfunden hatte wie ich, und, schöner noch, Bruno's Augen regelrecht zu leuchten begannen, wenn auch ganz anders als zuvor bei seiner Mission. Kann ich?, fragte ich beinahe etwas verlegen um Worte, bevor ich schnell hinzufügte, Ich möchte niemanden einen Platz wegnehmen.

Ich war sehr stolz auf meinen Bruder, als er Blythe selbstständig fragte ob sie zum Essen bleiben würde und ich nickte sofort freundlich auf ihre Rückfrage hin. Aber natürlich, du kannst bei uns essen, so kannst du niemandem einen Platz wegnehmen. Wir versuchten zwar möglichst viele zu gemeinsamen Essen zu bringen, aber nicht immer tauchten alle auf, oder es waren einfach zu viele Leute hier, oft aßen wir nur zu dritt hier zu Abend, allerdings wurde mein Blick dann etwas besorgt. Unsere Mutter wird allerdings auch dabei sein, sie kommt jeden Abend zum Essen her, ich hoffe das stört dich nicht?
Blythe wollte bleiben, auch wenn sie Sorgen hatte und ich lächelte erfreut und immer noch recht breit für meine Verhältnisse, allerdings dimmte sich das deutlich, als Julieta den sehr wahren Umstand ansprach, dass unsere Mutter herkommen würde, wie jeden Abend. Sie wollte, dass wir gemeinsam aßen und da es sich oft nicht ausging rechtzeitig Nachhause zu gehen hatte sie beschlossen sie würde eben immer herkommen. Ehrlicherweise war es auch eine Möglichkeit für sie zu kontrollieren was wir hier den ganzen Tag getrieben hatten und ob wir auch genug halfen und unseren Familiennamen rein hielten.

Okay... okay gut., stimmte ich schließlich zu und entspannte mich wieder ein klein wenig, ich hatte natürlich nicht vorgehabt zu bleiben, aber dann blieb ich eben. Die Frage ließ mich allerdings eine Augenbraue fragend hochziehen, obwohl ich mit den Schultern zuckte und den Kopf schüttelte. Sollte es?

Mamá ist etwas streng, sie wird den Vorsitz haben, aber du musst dir keine Sorgen machen. Ich wedelte abwigelnd mit meiner freien Hand in der Luft herum und drückte mit der anderen Brunos. Wir liebten unsere Mutter, aber es war kompliziert mit ihr. Ich warf einen Blick auf die Uhr und war fast erschrocken zu sehen wie spät es schon war. Oh, ich muss mich beeilen um alles herzurichten, zeigst du Blythe wo wir essen Brunito?
Natürlich liebte auch ich Mamá, wie denn auch nicht? Sie war unsere Mutter und als wir kleiner gewesen waren hatte sie den Job auch sehr gut gemacht, über die Jahre qar ihr Regime aber immer härter und die Zuneigungen immer spärlicher geworden. Sie hatte letztenendes jeden Teil unseres Lebens kontrolliert, so gesehen war es vermutlich gut gewesen, dass ich verschwunden war, es hatte meinen Schwestern die Chance gegeben sich etwas aus diesem Zugriff zu entziehen. Ich schnappte aus meinen Gedanken auf, als Julieta mich ansprach und als Antwort nickte ich schließlich. Blythe war bisher sehr nett gewesen, ich würde ihr gerne unser Esszimmer zeigen, das welches wir immer benutzten.

Ein leises Schnauben ließ ich hören, meine eigene Mutter hatte ich seit Jahren schon nicht mehr gesehen, geschweige denn zum Essen eingeladen, die Drillinge wirkten auf mich ungefähr in meinem Alter, aber es war nichts, bei dem ich mich einmischen würde, also sagte ich nichts dazu. Ich hatte mich recht früh emotional und auch physisch von meiner Mutter getrennt, oder eher sie sich von mir getrennt durch meine Aktion für die Mission COURAGE zu arbeiten. Das war inzwischen schon vierundzwanzig Jahre her. Ich nickte Bruno also zu, bevor ich kurz deutete, ich würde ihm folgen.

Wunderbar, dann bis gleich! Ich ließ Brunos Hand wieder los, gab ihm einen letzten Kuss auf die Wange und ging dann in die Küche. Ich ließ Bruno nicht gerne alleine, ich hatte immer noch Angst er würde auf einmal wieder verschwinden, auch wenn ich wusste, was der Grund für das letzte Mal gewesen war und, dass dieser hier nicht eintreten konnte, aber die Furcht war immer da, auch nach zwei Jahren noch. Ich begann die letzten Handgriffe für das Abendessen zu tun und dann die Gerichte auf viele, viele Teller zu verteilen.
Julieta ging, der kurze Wangenkuss erfreute mich, wie er es immer tat, und schließlich setzte ich mich auch in Bewegung, um Blythe zum Esszimmer zu führen. Es... es ist nicht weit. Ich warf Blythe versuchsweise wieder ein Lächeln über die Schulter zu, musste dann aber wieder vorwärts sehen, denn jedes Mal, wenn wir eine Türschwelle übertraten musste ich ersteinmal fünf Mal auf Holz und einmal gegen meinen Kopf, dann hielt ich die Luft an, überkreuzte die Finger und gibg rüber, ehe ich mein Klopfritual ein weiteres Mal wiederholte. Endlich erreichten wir das Esszimmer in dem wir immer aßen, es war ein heller Raum mit einer Tafel in der Mitte, um die herum Stühle verteilt waren, am Kopfende stand ein gepolsteter, ein bisschen breiterer Stuhl, der auf dem unsere Mutter sitzen würde. Da sind wir. Ich wedelte präsentierend mit den Händen und grinste etwas unsicher.

Der Rest hier sonst war doch sehr modern eingerichtet, wohin ich Bruno gefolgt war, das Esszimmer wirkte hingegen deutlich traditioneller, aber ich hatte auch nie das ganze Quartier hier gesehen, vielleicht war es auch, um etwas Familiarität herzustellen bei den Metamenschen, die hier unterkamen. Ich beobachtete Bruno bei seinem kleinen Ritual, bevor er über die Schwelle trat und sah mich dann mit einem Nicken um. Ich kam auch in zerfallenen Häusern problemlos aus, ich war nicht sehr anspruchsvoll. Warum machst du immer diese Gesten?

Ich zuckte etwas zusammen, als Blythe meine Rituale ansprach, ich mochte es nicht sehr gerne darüber zu reden, ich wurde meistens dann nur dafür aufgezogen oder getadelt, sie waren ja auch wirklich dumm, aber... ich brauchte sie, ich konnte nicht ohne sie, wenn ich sie nicht durchführte, oder sie verpatzte, spürte ich einen unsäglichen Druck in mir es wieder zu tun, manchmal auch duzende Male hintereinander, bis es richtig war und der Druck wieder verschwand und die Angst auch weniger wurde, ich würde allen um mich herum Unglück bringen. Es.. ahm... es ist gegen das Unglück, weißt du? Ich rieb mir mit der Hand über den Unterarm und sah Blythe unsicher an. Das Unglück das mir folgt, ich halte es damit davon ab sich auf andere zu verlagern, jedenfalls hoffe ich das. Ich griff in meine Taschen und warf etwas Salz über die eine und dann etwas Zucker über die andere Schulter.

Huh., machte ich etwas erstaunt, ich hatte nicht unbedingt den Eindruck, dass ihn das Unglück verfolgte, eher dass er das Unglück sehen konnte, bevor es sowieso geschehen wäre, aber ich kannte mich natürlich mit seinen Fähigkeiten nicht so aus, wie er es tat. Ich hatte bereits viele Metamenschen kennengelernt, manche von uns hatten allerdings tatsächlich Fähigkeiten, mit denen wir anderen schaden konnten, sehr sogar. Ich hatte sogar einmal ein Mädchen gekannt, das von einem Dämonenbären sozusagen besessen gewesen war, doch sogar sie hatte es verdient normal behandelt zu werden, sie hatte sich ihre Fähigkeiten immerhin nicht ausgesucht. Ich glaube, dann habe ich etwas für dich. Moment. Ich bückte mich, um von meinem Schuh das rote Schuhband zu lösen und schließlich herauszuziehen, bevor ich mit geschickten Fingern begann ein Knotenmuster zu flechten, Knoten für Knoten, bis es schließlich ein Bild ergab. Es ging recht schnell, ich hatte so etwas schon öfters geflochten. Ich hielt das Band Bruno hin. Das ist ein Endlosknoten. Er bringt Glück. Genauso wie die Farbe rot, zumindest laut meiner Mutter, sie brachte ebenfalls Glück. Für dich.

Ich beobachtete recht verwirrt wie Blythe sich plötzlich bückte und ihr Schuhband herauszog, nur um zu beginnen es zu verknoten. Erst als sie fast fertig war verstand ich, dass sie etwas knüpfte, was genau es war teilte sie mir dann auch mit, als sie mir das nun sehr hübsch hergerichtete Band schenkte. Ehrfürchtig nahm ich das Geschenk entgegen und betrachtete es eingehend, gerührt von Blythes netter Idee. Das ist wirklich lieb von dir. Ich werde ihn immer bei mir behalten. Vorsichtig ließ ich den Endlosknoten in meine Hosentasche gleiten und fuhr mit den Fingern noch einmal darüber ehe ich Blythe anlächelte, scheu, aber doch deutlich sichtbar. Vielen Dank.

Ich wollte keine große Sache daraus machen, immerhin hatte ich nicht einmal eine besonders schöne Schnur gehabt, wenigstens waren meine Schnürsenkel sauber gewesen, vielleicht rochen sie aber noch nach Rauch. Das Symbol repräsentiert die endlose Bewegung der Zeit, das ewige Kontinuum der Psyche. Die verschlungenen Drehungen und Knoten repräsentieren die Verbundenheit aller Wesen auf der Welt und schließlich steht seine rote Farbe für gute Wünsche., meinte ich, bevor ich sein Lächeln erwiderte, schmal aber doch, Oder es ist nur ein Schnürsenkel, du entscheidest. Ein Glücksbringer brachte immerhin nur dann Glück, wenn man auch daran glaubte. Ein Schuh von mir war nun etwas offen, aber das störte mich absolut gar nicht.

Dann ist es nur noch passender als gedacht. Nicht umsonst war das Zeichen mit dem ich so oft in Verbindung gebracht wurde eine Sanduhr, die verlaufende Zeit und in Wahrheit verband die Zukunft uns alle auf ihre eigene Weise. Ich fühlte mich einen Moment angenehm ruhig und fast schon zufrieden, als ich daran dachte, nicht so nervös wie ich es sonst war, da die Zukunft vorher zu sagen doch eine ziemlich große Sache war, die viele Dinge ändern konnte, jedenfalls dachten das viele. Wenn ich es sah würde es eintreten, wenn ich es nicht sah, so war es nicht in Stein gemeißelt. Oder eher in Glas, in meinem Falle.