Einige andere kleinere Kleidungsstücke ließ ich ebenfalls mitgehen, wir hatten immerhin noch andere Mitglieder und es würden andere Anlässe kommen, man wusste nie, wo wir noch überall eindringen mussten und was wir dazu benötigen würden. Es entwickelten sich bereits Pläne, während ich mir die Kleidung betrachtete, aber noch nichts konkretes, wir mussten zuerst einmal JERICHO auf Vordermann bringen. Als ich wieder aus der Umkleide trat, fiel mir als erstes aber wieder Simon ins Auge, er sah... warm aus, gemütlich. Ich konnte es nicht genau beschreiben, aber er hätte gut in ein Bild von jemandem vor einem Karmin gepasst, Schnee im Hintergrund, ich hatte so eines bei Carl einmal gesehen, er war sehr unzufrieden damit gewesen. Danke, Simon. Ich nickte ihm zu, bevor ich kurz so wirkte, als wollte ich noch etwas sagen, mich aber dann doch an die ganze Gruppe wandte. Wir sollten lieber jetzt aufbrechen. Es werden bald mehr Menschen kommen.

Ich nickte zustimmemd auf Markus Worte hin, wir sollten hier dringend wieder weg ehe mehr Leute her- und Fragen aufkamen. Gehen wir. Auch die anderen beiden hatten nichts dagegen und so trat ich wieder hinaus auf die kalten und mittlerweile schon verschneiten Straßen. Meine neue Kleidung hielt vorerst was sie versprach, ich hoffte nur sie würde das auch etwas dauerhafter tun.

Mit Simon an der Spitze folgte ich und dann auch North und Josh hinterher, die beiden schienen allerdings über etwas zu diskutieren und ich wollte sie lieber nicht unterbrechen, weshalb ich mit zwei großen Schritten zu Simon aufholte und dann etwas dichter neben ihm ging. Bist du jetzt nicht mehr so kalt?, fragte ich nach, meine Augen musterten sein Gesicht prüfend, während ich ihn ansah, ich stellte die Frage absichtlich leise, sodass die anderen mich nicht hören konnten, um seine Privatsphäre zu achten.

Es war zum Glück auch weiterhin noch wenig los auf den Straßen, auch wenn es nach und nach mehr wurde, aber der Schnee hielt die meisten Menschen länger in ihren Wohnungen als sonst. Ich konnte sie da ja leider durchaus gut verstehen. Ich war etwas überrascht, als Markus zu mir aufschloss und mich ansprach, ich war ehrlich gesagt immer noch jedes mal ziemlich überrascht, wenn er das tat, wenn er zu mir kam um mit mir zu reden, oder mich sogar um Rat zu bitten. Dieses mal ging es aber um mein Kälteempfinden, etwas, was sich wie ein kleines Geheimnis nur zwischen uns befand, etwas das wir teilten, auch wenn es so eine saudumme Sache war von der es mir lieber gewesen wäre es hätte niemals jemand erfahren, am aller wenigsten Markus, der den Kopf doch schon voller anderer Dinge hatte. Es ist schon viel besser. Ich drehte den Kopf zu Markus und lächelte ihn warm an. Es war eine gute Idee neue Kleidung zu holen.

Dieses Lächeln von Simon war zweifelsohne für mich etwas, das man als Kunstwerk hätte bezeichnen können. Carl hatte immer darauf bestanden, dass Kunst vielseitig war, es gab sie in vielen verschiedenen Formen, nicht nur in seinen Gemälden oder Skizzen, sondern überall. Ich war noch nie einem seiner Modelle begegnet, ich war generell noch nicht allzu vielen Modellen begegnet, bis auf diejenigen, die man öfters auf Partys oder in der Öffentlichkeit antraf und wie Simon bereits erwähnt hatte, sein Modell war älter, aber sein Lächeln wirkte einzigartig auf mich, wie eben auch ein Kunstwerk sein sollte. "Beim Malen geht es nicht um das Kopieren der Welt, es geht um Interpretation, Verbesserungen, deine eigenen Sichtweisen." Es gab aber nichts, was ich am Lächeln von Simon verbessern wollen würde. Das ist sehr gut., erwiderte ich also, Ich- -brauche dich. Jericho braucht dich.

Ich blinzelte überrascht, wobei ich wieder einmal bemerkte wie irritiert meine Augen doch waren, vielleicht konnte ich doch etwas Tränenflüssigkeit abzweigen, jetzt wo alle anderen versorgt waren, allerdings würde ich sie nur wieder verlieren und es ergäbe das selbe Problem, nur einige Zeit später. Ich hatte nicht erwartet so etwas von Markus zu hören, meine LED drehte sich kurz auf Gelb, ehe sie wieder ihr normales Blau zeigte, während ich den Blick wieder abwandte, um ihn nach vorne zu richten, mein Lächeln war fast verschwunden, ich hielt es nur noch sehr schmal aufrecht. Jericho braucht dich, einen einmaligen Anführer wie du einer bist. Ich bin austauschbar.

Das Lächeln von Simon verschwand und so auch jeder seiner warmen Züge, als er sich von mir abwandte. Ich hatte das Gefühl, etwas falsches gesagt zu haben, nur ohne zu verstehen, warum oder was. Wir würden wohl alle noch lernen müssen mit unseren Gefühlen zurechtzukommen, aber für mich spürte ich das erste Mal so ein kaltes Gefühl, ohne jedoch richtige Kälte spüren zu können. Denkst du das wirklich, Simon? In meinem Blick spiegelte sich ehrliches Erstaunen wieder, bevor ich den Kopf schüttelte und ebenfalls nach vorne sah, Denn ich glaube nicht, dass das auch nur ein bisschen wahr ist. Auch ich schaue zu dir auf und alle anderen in Jericho tun es ebenfalls. Von vorne sah ich wieder zu Simon, es war mir einfach nicht verständlich, wie er so etwas über sich selbst sagen konnte. Die Androiden in JERICHO hatten ihn als ihren Anführer gesehen, ohne seine Zustimmung hätten sie mich sicherlich niemals akzeptiert und wichtiger noch, er kannte die Androiden dort, besser als jeder andere von uns.

Ich weiß es. Ich dachte diese Dinge nicht nur, sie waren für mich einfach Realität. Vor mir hatte es andere Androiden gegeben, die die Gruppe geleitet hatten, ich war nur zum Anführer geworden, weil die anderen verschwunden waren, einer nach dem anderen, bis ich der älteste Android in Jericho gewesen war, der, der schon am längsten dort lebte. Ich steckte die Hände in die Taschen meiner neuen Hose und sah mit absichtlich neutralem Gesichtsausdruck geradeaus, nur nicht zu Markus, dessen Blick ich auf mir spürte. Sie wissen es nicht besser, für sie war ich immer schon da.

Beinahe schon nachdenklich ruhig sah ich nach vorne, während ich eine kurze Zeit einfach schweigsam neben Simon ging. Ich hatte bereits bemerkt, dass ich seit meiner Abweichung diese Phasen hatte, Carl hatte sie auch manchmal gehabt, wenn er intensiv über etwas nachgedacht hatte, aber dann sah ich auch gleich wieder zu Simon. Ich muss dir widersprechen., stellte ich schließlich mit besonnener Stimme fest und lächelte Simon schmal an, Ich denke, du repräsentierst Hoffnung. Die Hoffnung für sie, dass es möglich ist zu überleben, egal unter welchen Umständen. Simon war für sie "schon immer" dort gewesen, das bedeutete allerdings auch, dass er schon am längsten überlebt hatte und das obwohl sie kaum etwas gehabt hatten. Ich bewunderte Simon für dieses Durchhaltevermögen, denn ich wusste genau, ich hätte es nicht gehabt. Ich sah wieder nach vorne, wir waren nun beinahe dort, wo wir losgegangen waren.

return Der Untergrund » JERICHO » Decks des verrosteten Frachtschiffes

Hoffnung, die ohne dich völlig erloschen wäre. Markus war noch sehr jung und unerfahren was das Abweichlerdasein anging, er war voller Tatendrang und Energie. Ich betete zu ra9, dass er das niemals verlieren würde, wir brauchten ihn, wir brauchten diese Energie, die er ausstrahlte, dieser Wille etwas zu tun und etwas zu ändern. Ich bewunderte das sehr an ihm und ich hoffte er würde uns auch weiter mit dieser Kraft führen. Ich war froh, als wir uns wieder dem Hafen näherten, zum einen weil ich auf dem Schiff aus dem Wind kommen konnte und zum anderen, weil wir dann nicht mehr so angreifbar waren wie jetzt.
(Der Untergrund » JERICHO » Decks des verrosteten Frachtschiffes)

Nachdem das letzte Wort des Liedes aus meinem Mund verklungen war, sah ich mich erneut um. Doch bis auf die Laterne, welche nach wie vor sich hell gegen den Rest meines Sichtfeldes erhob, konnte ich nichts erkennen. Ein wenig fröstelnd schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper und drängte mich näher an die Laterne. Mama, wo bist du? Neben der Kälte zerrte auch die aufkommende Angst an meinem Nervennetz so dass Tränen begannen sich in meinen Augen zu sammeln. Gab es überhaupt diese "Heroes", von denen in dem Lied die Rede war? Wenn ja, warum war dann keiner hier? Wo war Mama? Es war eher ungewöhnlich, dass sie mich lange allein ließ, besonders wenn es so kühl wurde.

Zufrieden tippte uch auf meinem Intercom herum, ich hatte eben etwas Geld eingenommen indem ich jemandem geholfen und diesem dieses abgenommen hatte, als ich plötzlich die Präsenz eines anderen Lebewesens wahrnahm, was um diese Stunde hier nicht eben mehr so häufig war. Ich sah mich um und entdeckte zu meiner Verwirrung ein kleines Kind ( @Shirokuro ) an einem Laternenpfosten. Seine Haare waren weißblond und seine Augen von einem merkwürdigen Grau, was aber am seltsamsten war, war die Tatsache, dass der kleine Junge an dem Pfosten mit einer Art Leine angebunden zu sein schien. Was zum fick? Ich steckte mein Intercom ein und ging mit Vorsicht näher. Hey, Kleiner, was tust du hier?

Inzwischen kullerten die Tränen unkontrolliert über meine Wangen, während ich mich fröstelnd gegen den Laternenpfahl drängte. Mama..wo bist du? entfuhr es mir leise, ehe ich erneut einen Blick umher warf. Noch ehe ich eine Stimme wahr nahm, konnte ich - aufgrund der Tränen - verschwommen einen rötlichen Fleck ausmachen, welcher sich in meine Richtung bewegte. Mama? Instinktiv wollte ich dem Fleck entgegen gehen, wurde jedoch von der Leine derart zurück gehalten dass es mich zurück riss. Genau in jenem Moment als von der Stimme Worte erklangen. Nein das war eindeutig nicht Mamas Stimme. Meine Mama..sie..sie hat gesagt ich soll hier warten. brachte ich erstickt hervor. Mir war nicht wirklich beigebracht worden, nicht mit Fremden zu sprechen - wohl auch weil bisher keine Notwendigkeit dazu bestanden hatte. So sah ich zu dem rötlichen, verschwommenen Fleck. (@Raven )

Der kleine Junge sprach mich zunächst als seine Mutter an, was mich dazu verleitete meine Augenbrauen hochzuziehen, denn ich war ja ganz klar niemandes Mutter, das wüsste ich ja wohl hoffentlich, doch dann korrigierte er sich und ich schüttelte nur leicht den Kopf, als ich nahe genug heran kam um zu sehen, dass der Junge heulte und tatsächlich angebunden zu sein schien. Wie ein ausgesetzter Hund. ich sah mich kurz um, aber in unserer nähe war gerade wirklich absolut niemand, auch die Geschäfte waren bereits geschlossen und dunkel. Da hab ich ganz miese Nachrichten für dich, deine Mama ist nicht mehr in der nähe. Wie heißt du?

Man konnte mehr als deutlich sehen, dass die Nachricht dass meine Mutter nicht mehr in der Nähe sei, ein Schock für mich war. Was das zeigen von Emotionen anging war ich wohl ein offenes Buch. Che..Chester. Chester Jamson. Entfuhr es mir halblaut. Bisher hatte ich meine geheime Identität noch nicht erhalten. Warum ist Mama nicht hier? Sie hat doch gesagt, dass sie wieder kommt. schniefte ich dann und begann mir mit den Händen über die Augen zu wischen, damit ich den roten Fleck nicht mehr so vertrübt sah. Wer..wer bist du? Ob diese Person meinen Gesang gehört hatte und einer von diesen besungenen "Heros" war?