Tief atmete ich durch, anscheinend waren Red und ich gar nicht so verschieden, wie ich immer gedacht hatte. Neben Silverhead hatte ich auch immer zu Moon Elf und ihm aufgesehen, sie waren großartige Helden, die diese Kolonie sehr viel reicher machten. "Danke, dass du mir das anvertraut hast", erwiderte ich leise und atmete tief durch. So doof es klang, es tat gut, verstanden zu werden und ich war mir so oder so sicher, dass er niemals irgendjemandem davon erzählen würde. "Danke Red...", antwortete ich dann und lächelte leicht, nur schwach, aber es war ein Lächeln, "Ich hoffe es. Nachdem ich damals erfahren hatte, dass die RESISTANCE sie hat... Ich habe versucht, sie zu retten, aber das Ende vom Lied war, dass ich in die Gefangenschaft geriet. Plötzlich war ich diejenige, die gerettet werden musste. Aber dann wurde ich durch euch gerettet", fügte ich noch hinzu, er sollte ruhig das Ende der Geschichte wissen, "danach hab ich nichts mehr von Powder gehört. Ich hatte Angst, sie wäre vielleicht... Deshalb... Danke, dass du das für mich heraus gefunden hast." Und dass ihr mich damals gerettet habt. Silverhead hat damals die Mission geleitet, die mich gerettet hat.

Leicht schüttelte ich den Kopf, als er sich wegen meines Vertrauen bedankte. "Da gibt es nichts zu danken. Ich sehe zu euch auf, seit ihr mich gerettet habt. Ihr seid meine Helden. Auch Silverhead wird für mich für immer ein Held sein. Und ich würde euch jederzeit blind vertrauen, selbst wenn es Verderben bedeuten würde", antwortete ich vollkommen ernst. Anhand meiner Stimmlage konnte man erkennen, dass ich jedes einzelne Wort absolut ernst meinte.
Dass ich es so offen erzählt hatte, bedeutete nicht, dass ich nicht am Liebsten alles rückgängig machen würde. Doch nach meiner Rettung hatte mir die Mission COURAGE beigebracht, zu kämpfen. Und er zeigte mir wieder, dass es immer Hoffnung gab und man nach vorn blicken sollte. Ja, Powder war noch nicht verloren. Vielleicht würde ich sie irgendwann wieder in meine Arme schließen können.
Nachdem er mir aber seine Unterstützung zusagte, was auch immer war, nickte ich, und sah ihn dann fest an. "Das Gleiche gilt auch für dich. Wann immer ich was für dich tun kann, oder du meine Fäuste brauchst, werde ich da sein", gab ich wenig später zurück. Schon bald kamen wir dann auf das eigentliche Thema, und damit Lionel Cross, zurück. "Immer her damit", erwiderte ich, bereit, nun auch mehr über ihn zu erfahren. Es wurde Zeit, das zu holen, was mir gehörte.

Sein Witz ließ mich auflachen, ehe ich breit grinste. "Du weißt schon, das Eigenlob stinkt. Aber ich will mal nicht so sein, und das als Kompliment nehmen", grinste ich ihn frech an. Das war auch etwas, das ich an ihm schätzte. Manchmal fand ich seine Witze doch ein bisschen dämlich, aber sie trafen bei mir immer ihr Ziel und locketen die Situation wieder auf, meine Stimmung war nicht mehr ganz so negativ und angespannt.
Allerdings wurde er wieder ernst, und seine schlechte Ankündigung ließ mich schlucken. Aufmerksam hörte ich zu, doch in dem Moment, als er es aussprach, dass Lionel Cross ebenfalls tot war, traf es mich wie ein Blitzschlag. Alles, was von meiner Welt übrig war, zersprang wie ein Glas, das auf dem harten, kalten Boden der Realität prallte. Und dann kochte die Wut mit der Trauer über. Die Wut, dass ich nichts hatte tun können, dass alles verloren war, was ich hatte erreichen wollen.
Für diesen Moment verlor ich noch mehr die Kontrolle über mich selbst, weil es einfach zu viel wurde. Die Nachricht mit den Toten im Grand Circus Park, dann der Tod von Silverhead, dass Powder eine berüchtigte Schurkin war und jetzt auch noch, dass Lionel Cross von der Regierung geschnappt und ausgemärzt worden war. Alles ging schief, was ich auch nur versuchte, anpackte.
"Scheiße!", brach es aus mir heraus, meine Tränen und mein Wutausbruch, in dem ich aufsprang und mit meinen Händen den ganzen Tisch umriss und damit noch komplett zertrümmerte, mit einem lauten Krachen, glichen einen Vulkanausbruch. Ich gab mich immer stark und stets kontrolliert, selbst wenn es ums Schlagen ging, hatte ich mich, meistens zumindest, voll im Griff. Doch gerade wusste ich einfach nicht, wohin mit meinen Gefühlen. "Das darf nicht wahr sein", brachte ich erstickt hervor. Noch nie zuvor hatte ich irgendwem meine Tränen gezeigt. Doch damit war alles verloren. Vaters Vermächtnis, meine Schwester, alles, worauf ich hin gearbeitet hatte, mein Leben lang, glitt mir wie Sand durch meine Finger. Meine Kehle war wie zugeschnürt und ich ließ mich langsam auf die Knie sinken.

In diesem Moment bemerkte ich nicht einmal, dass Red sich vor mir fürchtete. Ich war gefangen in dem Sturm aus Emotionen, der durch mich hindurch fegte, und wusste nicht, was ich tun sollte. Als er einen Arm um mich legte, lehnte ich mich halt suchend gegen ihn. Anfangs konnte ich noch nichts sagen, es dauerte, bis ich mich langsam wieder etwas beruhigte.
"Vaters Kraft... Du erinnerst dich doch noch an One Million, oder? Sie war keine normale Kraft. Er war imstande dazu, diese weiter zu geben, das war ein Teil davon. Und diese Kraft hat er vor seinem Tod an Lionel Cross weiter gegeben", antwortete ich leise, ehe ich nach Luft schnappte und einen Moment die Lippen zusammen presste, "Ich wurde schon von Kindesbeinen an darauf trainiert, diese Kraft zu erhalten, sein Erbe weiter zu führen und in seine Fußstapfen zu treten. Es war mir bereits vorher bestimmt, ein Teil der Mission COURAGE zu sein. Mit seinem Erbe." Nur langsam wurde ich ruhiger und die Tränen hörten auch auf, zu fließen. "Ich habe versagt. In allem. Ich habe meine Mutter nicht retten können. Ich habe Powder nicht retten können. Und ich habe Vaters Erbe für immer verloren...", flüsterte ich erstickt, "Ich kann… ich bin doch keine Heldin mehr."

Ich wusste genau, dass diese Information, die ich gerade mit ihm geteilt hatte, noch neu für ihn sein musste. Denn ich hatte sie nie mit jemandem geteilt, und Vater hatte diese auch nicht mit jemandem geteilt. Lionel Cross und ich waren die einzigen gewesen, mit denen er dieses Geheimnis geteilt hatte. Und es machte mich wütend, das dieser verdammte Bastard diese Kraft erhalten und sich wie ein verdammtes, kleines Baby versteckt hatte, statt zu versuchen, mit der ihm geschenkten Kraft Gutes zu tun. Während ich gesprochen hatte, hatte er einfach zugehört, meinen Arm hinauf und hinab gestrichen und mir einfach den Halt gegeben, den ich brauchte.
Nachdem ich fertig geworden war, schüttelte er jedoch entschieden seinen Kopf. Es tat mir gut, dass er mir natürlich widersprach und mir das sagte, dass all das, was ich bisher getan hatte, nicht umsonst war. Dass es nicht die Fähigkeit war, die mich zu einem Helden machte und nichts und niemand mir das nehmen konnte. Eigentlich konnte man meinen, ich hätte längst begriffen, was einen Helden zu einem Helden machte, aber so manches Mal neigte ich dazu, es zu vergessen. Leider aber fühlte ich mich alles andere als stark. Nach seinen Worten antwortete ich jedoch nicht, sondern nahm mir Zeit, diese einsickern zu lassen. Langsam kam seine Botschaft bei mir an und ich schaffte es, meine Fassung Stück für Stück wieder zu erlangen, während er mich etwas mehr an sich drückte. Es war noch nicht vorbei, aber ich würde mir merken, was er mir heute beigebracht hatte. "Danke Red.... ich glaube, ich habe eine Erinnerung gebraucht und...", meinte ich leise, nachdem ich mich zusehends wieder beruhigt hatte. Und einfach mal ein paar Minuten, in denen ich mal schwach sein darf und mir jemand Halt gibt.

Für einen kurzen Moment drückte er mich an sich, es war eine richtige Umarmung, und wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich mich gar nicht mehr daran erinnern, wie lange eigentlich die letzte Umarmung, die ich bekommen hatte, her war. Natürlich erwiderte ich die Umarmung, es tat wirklich gut, für diesen kurzen Augenblick mal nicht mehr die taffe Heldin zu sein, sondern sich einfach auch mal fallen zu lassen und Halt bei anderen zu finden, wenn das Leben einen in die Knie zu zwingen drohte. Nachdem er sich von mir gelöst hatte, tat ich es ihm gleich und lächelte dankbar, ehe ich noch einmal über meine Augen wischte, um die Tränenspuren zu entfernen.
Danach sammelte er die Sachen ein, ich kam auch wieder auf die Füße. "Tut mir übrigens leid für den Tisch...", murmelte ich dann eine Entschuldigung und rieb mir verlegen über den Nacken, ehe ich nickte. Was die Bilder betraf, wollte ich wirklich ein paar. Aber nur von Powder. "Von Powder würde ich gerne die Bilder nehmen... ich konnte damals keine Bilder mehr aus unserem Haus retten", meinte ich ehrlich und zog die Bilder heraus, die ich unbedingt behalten wollte, um diese weg zu stecken. Der Tipp mit den Safe Rooms war auch gut, denn ich war eigentlich noch nie dort gewesen... und wenn ich ehrlich war, wollte ich Red nicht noch länger aufhalten, als es notwendig war.
Sogleich erwiderte ich sein Lächeln, auch wenn es bei mir etwas misslang, die ganzen Nachrichten wollten noch richtig bedacht und verarbeitet werden, ich hatte einigen Stoff zum nachdenken und musste mir überlegen, wie ich Powder am Besten aus Jinx heraus kitzeln und sie retten konnte. "Ich glaube, dann werde ich gleich mal dahin gehen", gab ich ehrlich zu. Aktuell wollte ich noch nicht einfach zurück und allein sein. Tief atmete ich durch und sah ihn ernst an. "Danke, dass du mir die Informationen besorgt hast. Dann wird es mein nächstes Ziel sein, Powder wieder zurück zu holen", antwortete ich fest entschlossen, "dann verabschiede ich mich mal. Möge die Sonne dich begleiten und dir ein Licht in dunklen Zeiten sein." Eigentlich war ich nie so der Philosoph, jedoch war es eine schöne Art, sich zu verabschieden, die Red meist an sich hatte, und ich lächelte ihn nun noch einmal richtig an, ehe ich mich zum Gehen wandte. "Wenn ich übrigens helfen soll, das Chaos oder die Reste vom Tisch zu beseitigen, ruf mich einfach." Damit verließ ich das Büro der Anführer.

=> Safe Rooms

Es war mir nicht entgangen, wie verunsichert Siren plötzlich gewirkt hatte, als dieser Vollidiot ihn so angegangen war. Ich meinte auch, Tränen in seinen Augenwinkeln zu sehen und war mehr als froh, dass ich diesem Trottel eine rein gehauen hatte, um das zu beenden. Das alles war ein Unding und es tat mir leid, dass sich manche Helden so aufführten. Da schämte ich mich richtig fremd für solche Personen. Es hatte mir wirklich gut getan, diesem Sack eine reinzuhauen, wenn ich ehrlich war, hatte ich mir das bereits seit langem gewünscht, aber nie tun können, da einfach der Grund fehlte. Ihn zu verprügeln, weil ich ihn hasste, war auch nicht richtig. Dennoch etwas verlegen von dem Kompliment kratzte ich mich leicht am Kopf und lächelte, ehe ich bereits plötzlich von ihm umarmt wurde.
Im ersten Augenblick war ich etwas perplex. Ich war wirklich ein Freund von Körperkontakt, aber es gab Momente, in denen man einfach nicht damit rechnete. Das hier war einer davon, dennoch erwiderte ich kurz darauf, wenn auch etwas unbeholfen, die Umarmung, und klopfte ihm dann, wenn auch nur ganz leicht, da ich ihm nicht schon wieder weh tun wollte, auf den Rücken. "Das ist doch selbstverständlich! Außerdem wurde es doch Zeit, dass er eine auf die Fresse kriegt", antwortete ich dann ehrlich, "So ein Benehmen dulden wir hier nicht."