Das war er. Mein Blick wurde etwas ernster, als ich mich an unsere letzten gemeinsamen Momente erinnerte, Carl hatte mich noch gewarnt, er hatte gewollt, dass ich weglief, aber es war zu spät gewesen. Ich hoffte so sehr, dass er in Ordnung war, so ein Schock konnte seinem alten menschlichen Körper nicht gut getan haben und ich wünschte mir nichts mehr, als wieder für ihn da sein zu können, aber ich sah auch, dass das, was ich damals getan hatte, nicht freiwillig gewesen war. Ratsuchend sah ich zu Simon und traf seinen Blick mit meinem, er sah mich bereits an, wie ich feststellte. Denkst du... es ist falsch, dass ich mich noch immer um ihn kümmern möchte? Auch, wenn ich jetzt frei bin.

Markus' Blick traf auf meinen und wieder einmal fand ich mich wie gefangen von diesen unterschiedlichen Augen, die in jedem anderen Gesicht als das des Androiden neben mir nicht zu einander gepasst hätten. Ich lächelte selbst wieder leicht und legte sacht eine Hand auf Markus' Arm, der sich warm unter meinen abgekühlten Fingern anfühlte. Ich denke, dass dieser Mann dir ein Vater war und wenn ich eines gelernt habe dann, dass es keine engere Bindung gibt, als die zwischen einem liebenden Elternteil und deren Kind, egal in welcher Form dieses auch haben möchte, egal woher es auch kommt. Eine Bindung, die aber nur auf beiden Seiten bestehen kann, also ist es nur normal, dass du so empfindest. Mein Blick wurde trauriger, ich fühlte stark mit Markus mit, ich konnte kaum anders, und ich wandte mich ab, um aus einem der Fenster zu sehen. Ich denke aber nicht, dass dieser Wunsch realistisch ist.

Tiefe Melancholie und Trauer lag in meinem Blick, während ich in meinen Schoß sah. Es war alles ihre Schuld, diejenigen, die beschlossen hatten, das wir nicht mehr waren als Objekte, Sachen zur Vergnügung der Menschen, Eigentum, mehr nicht. Ich wollte nichts lieber, als zurück zu Carl, um mich bei ihm zu verstecken, aber ich wusste, auch dass Simon recht hatte, der Wunsch war nicht realistisch, und ich hatte nun eine andere Aufgabe, die ich zu erfüllen hatte. Ich weiß., murmelte ich leise und sah dann erst nach einer Weile wieder zu Simon, bevor ich leise fragte, Du warst auch ein Pfleger für einen Menschen, nicht wahr? Simon schien mich da viel besser verstehen zu können als North oder Josh.

Die Stimmung war nun noch gedückter und trauriger als zuvor. Ich wollte wirklich für Markus hoffen, dass er seinen Carl irgendwann wieder sehen würde, dass er wieder für ihn sorgen konnte, aber ich sah die Welt leider zu realistisch dafür. Es ging nicht, es würde nie gehen, nicht, wenn wir nur als Maschinen betrachtet wurden und das nicht ändern konnten. Als Markus wieder sprach zuckte ich lich zusammen, hauptsächlich, weil ich selbst so in Gedanken versunken war, aber auch wegen seiner Frage selbst. Es war jedem klar, der mein Modell kannte wofür ich gebaut worden war und wie ich mit Markus über Carl gesprochen hatte konnte ich mir ausmalen wie er zu diesem sehr richtigen Schluss gekommen war, trotzdem war das ein sehr schweres Thema für mich, ich hatte nie jemandem von Aaron erzählt, auch nicht von Amy und was sonst so im Haus vorgegangen war. Wann immer jemand gefragt hatte, was nur selten vorkam, oder wir Geschichten geteilt hatten, hatte ich es sehr allgemein gehalten. Trotzdem hatte Markus mit mir seine Geschichte geteilt und ich fühlte mich nicht wohl dabei den anderen Androiden direkt anzulügen. Ich drehte das Gesicht etwas weg, dass Markus meine LED nicht so leicht sehen konnte, denn sie hatte sich bereits auf Gelb gedreht. Ja. Ich zögerte einen kleinen Moment, ehe ich weiter sprach. Für einen Jungen namens Aaron, er hatte... medizinische Probleme, die viel Aufmerksamkeit verlangt haben, mehr als seine arbeitenden Eltern zur Verfügung stellen konnten.

Simon zuckte zusammen und ich registrierte das sofort als Unregelmäßigkeit, auch wenn ich mir nicht sicher war, wie ich seine Reaktion einordnen sollte, aber Simon beantwortete mir meine Frage, auch wenn er sich dafür abwenden musste, sein Blick ging an mir vorbei, während ich sein Gesicht von der Seite musterte. Auch für ihn schien es kein einfaches Thema zu sein, allerdings war ich noch nie jemand gewesen, der aufhörte, wenn etwas schwierig wurde, das war etwas, das wohl alle hier in JERICHO bereits kennengelernt hatten, manche zur Genüge. Mochtest du Aaron?, fragte ich und hob langsam meine Hand, um sie Simon auf die Schulter zu legen und mich ein Stück an ihn zu lehnen, ich wusste schließlich, wie er auf meine Körperwärme reagierte und er wirkte, als könnte er Komfort gerade gebrauchen.

Markus' nähe tat wesentlich wohler, als es der Fall sein sollte, aber er war warm und ich konnte bei seinen Fragen nur schwer einfach schweigen. Markus hatte so eine Art, die andere dazu brachte ihm ihr Herz ausschütten zu wollen. Er war ein gutes Kind, er hatte nie etwas böses im Sinn, vom ersten Moment an war ich sein bester Freund. RA9, wenn meine Thiriumpumpe brechen konnte, dann war es bald soweit, über Aaron zu sprechen tat weh, aber doch lächelte ich leicht, wenn auch unendlich traurig, als ich über ihn erzählte. Immer sind ihm neue Spiele eingefallen, auch ans Bett gebunden zu sein, wenn es ihm schlecht ging, hat sein Licht nicht gedimmt.

Aaron hört sich nach einem wunderbaren Kind an., sagte ich schließlich mit einem warmen Tonfall, ich hatte ihn nie gekannt, aber wenn Simon so von ihm erzählte, glaubte ich ihm selbstverständlich. Wenn Simon aber so von ihm sprach, lag der Schluss nahe, dass Aaron gestorben sein musste, er sprach von ihm in der Vergangenheit, er wirkte auch sehr traurig, aber trotzdem lächelte er leicht. Die guten Erinnerungen konnte ihm auch niemand wegnehmen, vollkommen egal, was sonst passiert war. Kinder sehen oft noch den Unterschied nicht. Sie sehen nicht das, was die Erwachsenen glauben zu wissen., meinte ich schließlich nachdenklich und fügte dann leise hinzu, Vielleicht kann ich dich eines Tages Carl vorstellen. Er würde dich sicher mögen.

Das war er. Meine LED drehte sich auf rot und ich zwang mich dazu mich wieder zu beruhigen. Denk an etwas anderes. Taub... alles ist taub, keine Gefühle mehr. Es klappte so minder, es hatte noch nie wirklich funktioniert mich von meinen Gefühlen zu trennen, aber ich probierte es trotzdem immer wieder, denn was blieb mir schon anderes übrig? Meine LED drehte sich zurück auf gelb und besser würde es wohl erst einmal nicht werden. Das ist wahr, sie übernehmen erst später die Verhaltensweisen der Erwachsenen. Ich hielt meinen Ton absichtlich neutral, sah dann aber überrascht auf und zu ihm, als Markus etwas für mich sehr überraschendes sagte. Mich? Wieso? Wieso mich vorstellen und wieso mich mögen. Zwei Fragen, die ich hier stellte, ohne sie extra auszuformulieren.

Simon wirkte sehr belastet von diesem Thema, ich konnte ihn verstehen, ich wüsste nicht, was ich machen würde, wenn Carl sterben würde. Natürlich, er war alt und er saß im Rollstuhl, er war ein Mensch, eine "schwache Maschine" wie er sich selber immer bezeichnet hatte, aber er durfte nicht sterben. Er konnte es einfach nicht. Angestrengt kniff ich die Augen zusammen, wie um mich von diesen Möglichkeiten abzulenken, aber es schaffte erst Simon mich wieder auf etwas zu konzentrieren, namentlich seine Fragen. Du bist für mich da, auch wenn du auch so viel um die Ohren hast., beantwortete ich seine Frage, Ich fühle mich, als wären wir Freunde. Ich hatte noch nie richtige Freunde, aber Carl hätte es geliebt, wenn ich Freunde gefunden hätte, ich weiß es einfach.

Ich konnte nicht recht glauben was Markus da sagte, es kam mir so sureal vor von jemandem so viel Positives über mich zu hören, doch es brachte mich schließlich etwas zu Lächeln und meine LED dazu sich wieder auf blau zurück zu drehen. Wir können sehr gerne Freunde sein. Das klang wie etwas, das ein Menschenkind zum anderen sagte, aber es passte eben dich irgendwie. Emotional waren besonders frische Abweichler Kindern recht ähnlich, Gefühle waren neu und schwer zu kontrollieren, soziale Kozepte zu verstehen lag nur den wenigsten von Anfang an.

Das würde mir sehr gefallen. Ich lächelte Simon an, während ich wieder daran denken musste, was für ein Kunstwerk sein Lächeln doch war, erleichtert darüber, dass es nun wiedergekehrt war, wie die Sonne jeden Morgen über den Wolkenkratzern. Ich hatte noch nie Freunde gehabt, aber ich wusste, dass es das richtige war, auch mit Josh und North, auch wenn mir niemand im Moment so nahe stand, wie Simon es tat. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und jetzt durch unser Gespräch fühlte ich mich ihm noch mehr verbunden, ein Pflegerandroid zum anderen. Ich konnte nicht anders und schlang meine Arme um die Schultern von Simon, um ihn so fest zu umarmen.

Ein leises Geräusch der Überraschung entkam mir, als sich plötzlich zwei starke Arme um mich legten und Markus mich in eine Umarmung zog. Allerdings reagierte ich ziemlich schnell darauf und drehte mich zur Seite, um die Umarmung selbst zu erwidern. Unarmt zu werden tat einfach zu gut, vor allem natürlich, wenn der andere Part so warm war wie Markus. Ich fror momentan nicht, aber kühl war mir doch durchgehend und Markus war wie ein sprechender, laufender und gut aussehender Heizkörper.

Was auch immer für ein Geräusch Simon gerade von sich gegeben hatte, es hatte mein Stresslevel plötzlich rapide gesenkt. Es war... ich wusste nicht ganz das Wort dafür, aber es hatte mich sehr angesprochen. Er würde wahrscheinlich auch nicht aufhören können Fragen zu stellen., sagte ich schließlich schmunzelnd in mich hinein, bevor mein Blick und somit auch meine Stimme sich mit einer Mischung aus Sehnsucht und Melancholie verfärbten und ich Simon noch ein kleines Stück näher an mich zog. Irgendwann hätte sich Carl dann zurückgezogen, uns beiden uns selber überlassen, er war noch nie so gut gewesen sich mit anderen Leuten länger zu unterhalten und mochte seine Ruhe sehr gerne. Oder vielleicht wäre es bei Simon anders gewesen und er hätte sich gerne weiter mit ihm unterhalten. Ich wünschte mir nur, ich könnte es herausfinden.

Ich lächelte bei dem Gedanken daran den Mann kennenzulernen, der Markus so geformt hatte, auch wenn das wohl ein Ding der Unmöglichkeit war. Es war eine nette Fantasie. Ich legte mein Kinn auf Markus' Schulter und verschränkte meine Hände hinter seinem Rücken. Ich sehe schon woher du das hast. Ich löste eine Hand wieder, um dem anderen Androiden damit über den Rücken zu streichen, da ich natürlich bemerkte wie dieses Thema an ihn zehrte.

Simon's Kinn kam auf meiner Schulter zu liegen und ich nahm seine Hände auf meinem Rücken deutlich war, es war angenehm so, mehr aber noch, als er begann über meinen Rücken zu streichen, es war als könnte Simon's Berührungen selbst kleine elektrische Impulse auslösen, aber wahrscheinlich war es auch wirklich so, zumindest fühlte es sich so an. Allerdings musste ich leise lachen, als er von Carl sprach, in einer Mischung aus Trauer und Freude, denn ich wusste nicht ganz, wie ich mich fühlen sollte, wenn ich so direkt mit einem... nun, Vater?, verglichen wurde. Ich ließ mich ein wenig gegen Simon sacken, der mir seine Stärke aber schließlich schon einmal sehr eindrucksvoll demonstriert hatte.