Ja., antwortete ich schließlich im schweren Tonfall, Ich denke, alle Symptome sprechen von Red Ice. Leo hatte gedacht, dass Carl ihn ersetzen würde. Aufgrund des Reichtums seines Vaters hatte er immer um Geld gebeten, teilweise leider eben auch um seine Drogenabhängigkeit zu unterstützen, weshalb Carl schweren Herzens ihm auch das Geld entzogen hatte. Es war ihm sehr schwergefallen, mich zu akzeptieren, da er das Gefühl gehabt hatte, Carl behandelte mich viel besser als ihn, seinen leiblichen Sohn. Carl wollte ihm deshalb kein Geld mehr geben. Aber Leo nahm es als Zeichen, dass Carl lieber mich als ihn zum Sohn hätte. Kurz reflektierte sich doch Wut in meinem Blick und ich ballte meine freie Hand zu einer Faust. Er hat beinahe riskiert, dass Carl stirbt, nur wegen...

Ich nickte leicht und auch eine Spur resigniert. Red Ice war es sehr häufig in dieser Kolonie dem die Menschen verfielen, bei Amy war es ja auch nicht anders gewesen, am Ende hatte sie es nicht einmal mehr versteckt. Markus' weitere Worte erklärten die ganze Situation ziemlich gut, Leos Verhalten, Carls Worte und am Ende auch die ganze Eskalation. Red Ice löst Aggressionen und irrationales Denken aus, der Entzug macht das ganze vermutlich ich nur noch schlimmer. Ich löste meine zweite Hand von Markus' und legte sie stattdessen sanft über seine geballte Faust. Aber Carl ist nicht gestorben, ich denke das hast du verhindert.

Erst als Simon seine Hand auf meine Faust legte, bemerkte ich, was ich getan hatte. Es tut mir leid, manchmal, werde ich so wütend..., resignierte ich, nun deutlich weniger wütend, und lockerte meine Faust wieder, hier war niemand, dem ich wehtun könnte, selbst wenn ich es wollen wurde, und ich bemühe mich, nicht so zu denken, es würde nichts bringen als nur mehr Leid, aber manchmal fiel es mir schwer, ich fühlte mich oft hin- und hergerissen, wie zwischen Josh und North, Simon war wenigstens der einzige, der meist neutral blieb. Er war schon zuvor lange instabil... Simon, ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn er stirbt. Du sprichst immer über mich, als wäre ich viel stärker als du, aber ich habe das Gefühl, dass du viel widerstandsfähiger bist, als ich jemals war oder die Chance hatte, es zu sein. Ich sprach von mentaler Stärke, wir hatten beide bereits festgestellt, das uns in physischer Stärke kaum etwas trennte.

Das ist in Ordnung. Es ist in Ordnung, wenn du negative Dinge fühlst. Ich drückte sanft Markus Hand, die ich jetzt statt seiner Faust hielt. Carl lebt noch, er ist in Ordnung. Hier und jetzt, in diesem Moment, in dem wir uns befinden ist er wohl auf. Zukunftsängste waren es, die so viele Androiden quälten, daher befand ich es wichtig, dass er sich darauf konzentrierte wo er war, in der Gegenwart. Markus' folgende Worte verwirrten mich etwas und ich schüttelte sogleich ablehnend den Kopf. Unsinn, du bist wesentlich stärker als ich, geistig wie körperlich.

Ich denke, ich sollte es nicht, weil mich alle als Anführer sehen, aber ich denke auch, dass du recht hast. Es war nun einmal so, seit unserer erfolgreichen Mission die Biokomponenten zu stehlen sahen viele Androiden in JERICHO mich als ihren Anführer, natürlich vor allem auch diejenigen, die ich auf der Mission selbst befreit und mitgenommen hatte. Somit lag allerdings doch sehr viel Verantwortung auf meinen Schultern, obwohl ich wie viele von ihnen ebenfalls gerade erst abgewichen war, gerade erst meine Gefühle kennenlernte. Ich fixierte Simon mit einem festen, aber trotzdem leicht amüsierten Blick. Egal wie oft du das sagst, ich werde es dir nicht glauben. Nach allem, was ich gesehen hatte, fühlte ich mich nur noch mehr bestätigt in diesem Denken, daran konnte Simon auch mit keinen Worten etwas denken. Ohne dich könnte ich das hier nicht.

Aber es ist eine Sache die uns zu Abweichlern macht. Negative Gefühle sind furchtbar, aber sie gehören leider dazu. Was wichtig ist, ist wie du darauf reagierst. Was ich nicht so oft dafür geben würde wirklich das zu sein was die meisten Menschen von uns dachten: Eine gefühlslose Maschine, die nur ihrem Programm folgte. Wenn ich wirklich die Wahl gehabt hätte etwas zu fühlen oder nicht... ich war mir nicht sicher ob ich mich wirklich dazu entschieden hätte zu Emotionen fähig zu sein. Ich wich Markus' Blick etwas aus, als er mich so anvisierte, und schüttelte mit einem etwas übertriebenem Seufzen den Kopf. Du bist unmöglich, weißt du das?

Wie ich reagierte war wichtig, natürlich war es das, aber was, wenn ich falsch reagierte? Wenn ich die Leben der anderen Abweichler hier, die zu mir aufsahen, riskierte oder gar ausschaltete? Ein falsches Wort, und unsere gesamte Operation, unser gesamtes JERICHO, könnte gefährdet werden. Ich brauchte Androiden wie Josh und North, die die Vorschläge brachten und ihre unterschiedlichen Meinungen hatten, aber ich brauchte auch vor allem Simon, meine bedingungslose Unterstützung, zumindest fühlte er sich für mich so an. Ohne zu zögern schnappte ich nun allerdings beide seine Hände in festem Griff und sprang von der Steuerkonsole, ein leichtes Grinsen im Gesicht. Komm, ich zeige dir etwas! Ich zog bereits an seinen Händen, bevor ich noch seine Antwort abgewartet hatte.

Markus reagierte sehr viel anders als ich es erwartet hätte, er sprang nämlich plötzlich auf die Füße und zog mich an beiden Händen mit sich mit. Ich war so überrascht, dass ich mich nicht einmal hätte wehren können, wenn ich es gewollt hätte, was ich aber am Ende gar nicht wirklich tat. Woha. Okay, okay, ich komme ja schon. Leicht amüsiert schüttelte ich den Kopf, war aber bereit Markus zu folgen, wohin auch immer er gehen wollte. Ich würde ihm überall hin folgen.

Ohne Simon noch ein weiteres Wort von meinem Plan zu verraten, führte ich ihn hinaus auf das Deck des Frachtschiffes, das unser Zuhause, unser JERICHO geworden war, nun wirklich ein sicherer Hafen für alle Androiden, aber gerade mussten wir das Schiff verlassen. Ich hatte die Zeit auch genutzt um um das Schiff herum zu erforschen und ich war dabei auf einen Ort gestoßen, den ich bisher noch niemandem gezeigt hatte. Später vielleicht würde ich ihn auch Josh und North zeigen, aber ihn Simon zuerst zu zeigen kam mir... richtig vor. Ich konnte mir mehr auch nicht erklären, aber ich versuchte es auch gar nicht.

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Ich folgte Markus, denn etwas anderes wäre mir auch nie in den Sinn gekommen, auch wenn ich verwundert war, als wir das Schiff verließen, was eben doch nicht so häufig vorkam, es war sicherer an Bord, die meisten blieben deshalb auch dort.
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