Markus und ich mussten zwar sehr an der Tür arbeiten um sie aufzubekommen, doch schließlich gab sie nach und ich trat aus dem Wind in die doch etwas stickige Luft im Inneren der Kajüte, die seit Jahren nicht geöffnet worden war. Einige Fenster waren angebrochen, aber wirklich kaputt war wie durch ein Wunder keines von ihnen. Ich sah mich um, die ganzen Geräte hier waren natürlich seit Ewigkeiten hinüber, doch es war ruhig und abgeschieden hier. Man kann hier nur über das Deck her, ich schätze das ist einer der abgeschiedensten Orte am ganzen Schiff.

input_value Decks des verrosteten Frachtschiffes

Die Tür schwang auf und krachte gegen die Außenwand, aber wenigstens hatten wir sie aufbekommen, sie wirkte relativ stabil, die Kajüte hier vorne auch und ich sah mich zuerst einmal genauer um. Vorne die Fensterscheiben waren schon etwas angeschlagen, aber alles hielt soweit dicht, es war auch sehr ruhig, besonders natürlich, sollte man die Türe hinter sich wieder schließen. Ich nickte Simon zustimmend zu und überlegte dann eine Weile, bevor ich fragte, Denkst du, hier wäre ein guter Ort, um sich unter acht Augen zu beraten? Ich sah immer noch zu Simon, um nach Rat zu fragen, im besonderen aber, um nach seiner Einschätzung zu fragen, er kannte North und Josh deutlich besser als ich und ich respektierte ihn für seine lange Anwesenheit in JERICHO sehr, ganz egal was er über sich selbst sagte.

Ich ging etwas im Raum auf und ab und wischte hier und da instinktiv über die staubigen Oberflächen. Ich glaube ja, North wird gefallen wie sicher es hier ist, leicht zu verteidigen nehme ich an. Ich musste doch leicht lächeln ala ich das sagte, Josh würde wohl jeden Ort annehmen, da war er nicht sehr wählerisch. Durch mein wischen stob der Staub auch auf und mir in die Augen, die leider sowieso schon irritiert waren. Eine rote Warnung blinkte auf und ich fuhr mir automatisch über die Augen, um den Staub wieder aus ihnen herauszureiben, da ich nicht genug Tränenflüssigkeit hatte um ihn auszuschwemmen.

Und was sagst du dazu?, fragte ich noch einmal direkt nach der Meinung von Simon, bevor ich kurz die Stirn runzeln musste, etwas was ich früher nie getan hätte, aber nun ging es beinahe wie automatisch, es war noch ungewohnt, als ich ihn beobachtete, wie er sich über die Augen fuhr. Ich trat sofort näher an ihn heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter, wo ich ihn näher betrachtete und schließlich auch einfach scannte. Dir fehlt die Tränenflüssigkeit, du solltest sie dringend nachfüllen.

Ich sah verwirrt zu Markus auf, nachdem ich das Gesicht zum Reiben nach unten gerichtet hatte, und sah dann verlegen wieder zur Seite, ich zog mich vor ihm allerdings nicht zurück, seine Hand war warm auf meiner Schulter und ich hatte bei ihm immer öfter das Gefühl, dass Lügen nichts brachte, dass er direkt hindurch schaute. Ja, ich weiß. Wenn alle versorgt sind schaue ich ob was übrig ist. Ich rieb wieder über meine Augen, und sah mich, auch wenn der Staub nicht recht weggehen wollte und durchaus schmerzte, wieder um, um auf das vorherige Thema zurück zu kommen. Ich denke jedenfalls auch, dass hier ein guter Platz für Besprechungen ist. Dass Markus meine direkte Meinung hatte hören wollen überraschte mich, aber es überraschten mich einige Dinge an dem Androiden neben mir.

Dann ist es beschlossene Sache., beschloss ich kurzerhand, als Simon auch noch seine Meinung zu diesem Ort als Besprechungsort der Führungsgruppe von JERICHO abgegeben hatte, seine Zustimmung war mir wichtig und das konnte man gut bemerken, Simon war für mich einer der zentralen Punkte an JERICHO, deshalb wandte ich mich mit meinen Plänen auch meistens so direkt zuerst an ihn. Mein Griff an seiner Schulter verfestigte sich leicht und ich begann ihn aus der Kajüte zu schieben. Wir können die Kajüte später putzen, wir füllen jetzt deine Tränenflüssigkeit nach. Ich hatte es so beschlossen, also wurde es auch so gemacht, Simon schien sich nicht um sich selber kümmern zu wollen, also würde ich es tun.

Hey, warte mal. Doch jeder Protest war sinnlos, denn wie mir gerade ohne Zweifel zu hinterlassen auffiel war Markus körperlich sehr viel stärker als ich, was man ihm eigentlich nicht ansah, er war ja auch kein Modell, das für schwere körperliche Arbeiten gebaut worden war, die sahen meistend anders aus. Mein eigenes Modell war auch nicht gerade ganz schwach, immerhin mussten wir Einkäufe und Kinder durch die Gegend tragen, aber daran reichte ich doch nicht heran. Es ist nicht so dringend.

Wir kümmern uns jetzt darum., beharrte ich auf meinem Punkt, ganz ohne zu zögern, Simon war viel zu wichtig, als das er hier sich selber vernachlässigen sollte, natürlich gab es andere, die es dringender brauchen, aber die hatten wir schon längst versorgt. Das ist wichtig, Simon. Ich schob ihn weiter an der Schulter bis unter Deck, zur Reperaturwerkstatt, wo wir die Ersatzteile gelagert hatten und Lucy mich schon verarztet hatte, die direkt an den Versammlungsplatz anschloss.

return Die Reparaturwerkstatt

Aber wir wollten doch das Schiff auskundschaften. Ich gab nicht auf zu protestieren, aber Markus kannte keine Gnade, er schob mich unters Deck und noch weiter zur neu ausgebessert Reperaturwerkstatt, in der Lucy sich um die Aufteilung der neuen Ersatzteile gekümmert hatte und auch schon früher versucht hatte die schlimmsten Schäden zu reparieren.
(Die Reperaturwerkstatt)

input_value Kajüten von JERICHO

Die Kajüten waren inzwischen bereits freigeräumt, zumindest diejenigen, bei denen es noch etwas zu retten gegeben hatte, und die Androiden verteilten sich inzwischen deutlich durch das alte Frachtschiff, nicht mehr alle am großen Platz gemeinsam gefangen, jeder konnte sich nun auch zurückziehen, wenn er wollte, etwas das gerade die neuen Abweichler immer wieder gerne in Anspruch nahmen. Ich tat nun gerade wohl dasselbe, mich zurückziehen, denn die letzten Tage hatte ich kaum eine ruhige Minute gehabt, es hatte viel zum besprechen und richten gegeben, die Kajüten waren freigeräumt worden, wir hatten das Schiff abgesichert, sogar einen großen Kontrollraum weit unten im Schiff hatten wir entdeckt. North war gerade hier gewesen, um mir einen Statusbericht zu geben, aber sie war wieder gegangen und nun saß ich auf der alten Steuerkonsole, meine Beine schaukelten leicht hin und her, während ich gedankenverloren wirkend aus den inzwischen etwas saubereren Fenstern hinaussah.

Es hatte sich viel getan in den letzten Tagen, das Schiff war erfüllt von Leben und auch Licht, es erfüllte mein Herz mit Freude zu sehen, dass sich die Androiden hier endlich wohler fühlten. Es war alles andere als ideal, aber so viel besser als es für lange Jahre gewesen war. Die Rückzugsmöglichkeiten, die sich den Androiden jetzt besser boten nutzte ich selbst auch gerne, wenn ich mich auch instintiv eher unauffällig fortschlich, damit niemand Fragen stellte, warum ich mich eigentlich jede Nacht zurück zog. Meine Tränenflüssigkeit war wieder niedrig, aber noch hatte ich genug um meine Augen zu befeuchten, also war das kein Problem. Ich hatte gesehen wie North die Kapitänskajüte verlassen hatte, Markus musste noch drin sein. Er hatte in den letzten Tagen nichts getan als sich abzurackern und ich machte mir etwas Sorgen um ihn. Er war noch nicht lange ein Abweichler und ich befürchtete, dass er sich unvorsichtig überarbeitete. Ich drückte also langsam die Tür zur Kajüte auf und Markus zu einem der Fenster hinaussehen. Markus? Alles in Ordnung?

Praktisch sofort nahm ich war, als sich die Tür hinter mir öffnete, es hatte inzwischen aufgehört zu schneien, aber es war noch immer relativ kühl draußen, wodurch die kühle Luft hereintrat, und daraufhin eine Stimme ertönte, die mir inzwischen wirklich sehr vertraut geworden war. Ich und Simon hatten uns die letzten Tage immer wieder mal Aufgaben geteilt, er war eine große Hilfe gewesen, aber ich hatte mich dennoch viel am Schiff bewegt und wir hatten daher nicht zu viel Zeit für wirkliche Gespräche zu zweit gehabt. Nun trat er allerdings alleine in die Kajüte ein und ich sah von meiner sitzenden Position auf der Steuerkonsole, die Beine noch immer schaukeln lassend, zu ihm, über meine Schulter, bevor ich mich ihm zudrehte und ihn anlächelte. Simon! Wie immer, wenn ich ihn sah, mischte sich ganz automatisch ein fröhlicher Ton in meine Stimme. Alles bestens, was kann ich für dich tun? Ich ging zumindest recht automatisch davon aus, dass er etwas brauchte, mein Gesichtsausdruck sofort wieder konzentriert.

Da saß er, nun zu mir gewandt, wie der sprichwörtliche Kapitän unseres Schiffs. Er passte sehr gut auf diesen Stuhl und sein fröhlicher Ton ließ mich automatisch, wenn auch nur leicht, Lächeln. Gar nichts, ich wollte nur mal nach dir sehen, du bist in letzter Zeit ja nur am rotieren. Dass Markus gleich davon ausgegangen war, dass ich etwas von ihm brauchte war ja alleine schon bedenklich, es war also sicher eine gute Idee gewesen einfach so her zu kommen.

Simon's Lächeln war etwas, das mich immer noch an die besonderen Gemälde von Carl denken ließ, diejenigen, die ich im Nachhinein, nach meiner Abweichung, sicherlich als sehr schön empfunden hatte, und ich glitt von der Steuerkonsole und stellte mich auf meine eigenen zwei Beine, allerdings noch ohne mich ihm sonst zu nähern. Es gibt viel zu tun in Jericho., antwortete ich wahrheitsgemäß, aber durchaus etwas erleichtert, dass er gerade nichts brauchte, man bemerkte es doch, besonders in der Anspannung meiner Haltung, die ich dazugewonnen hatte, wie schwer das Gewicht auf meinen wenn auch sehr starken Schultern lastete.