Ich habe ein Programm, das bestimmte Abläufe berechnen kann. Dem bin ich einfach gefolgt und von oben auf die Drohne gesprungen, um sie zu Boden zu zwingen., erzählte ich ohne jede Arroganz, immerhin hatte ich nur das getan, was unsere Gruppe weitergebracht hatte, und war dabei zum Glück nicht verletzt worden, das war etwas, was durchaus hätte passieren können, wenn ich nicht richtig an die Drohne gekommen wäre. Ich beobachtete Ralph und war zufrieden damit, dass er etwas ruhiger wirkte als zuvor. Ich habe die Vermutung, dass es eine bestimmte Art der Programmierung ist, die unter anderem nur der RK-Reihe vorbehalten ist. Jetzt war mir immerhin bekannt, dass es noch andere Modelle meiner Reihe gab, auch wenn ich mich fragte, wenn ich der RK200 war, wie all die andern RK-Modelle wohl aussahen und welche Programmierungen sie hatten, welche neuen oder alten Features. Die Soldaten-Androiden, die für die Menschen die Kriege gekämpft hatten, hatten sicherlich ebenfalls einen deutlich ausgebaute und entwickelte Verteidigungsprogramme, aber diese wurden kommerziell auch nicht einfach neu an Privatpersonen verkauft, nicht ohne Grund jedenfalls.
Gespannt folgte ich Markus' Erklärungen und konnte kaum glauben was ich da hörte, Markus konnte noch viel mehr Sachen als ich gedacht hatte und ich war schwer beeindruckt davon. Markus kann so etwas? Dann ist Markus noch so viel besonderer als Ralph dachte. Mit weit aufgerissenen, ungleichen Augen sah ich Markus an und wippte etwas auf der Stelle hin und her.
Ich habe nie darüber nachgedacht, ich habe es einfach... getan. Es hatte sich richtig angefühlt, besser konnte ich es nicht erklären, allerdings passte dieses Thema gut zu dem, was dann passiert war, als wir im Lagerhaus angekommen waren. Irgendwie musste ich intrinsisch gewusst haben, durch meine Programmierung vielleicht, dass ich anderen Androiden "aufwecken" konnte, die sich dann wiederum gegenseitig aufwecken konnten. Es war noch eine weitere große Verantwortung für mich, denn jeder einzelne dieser Androiden brauchte natürlich dann auch meistens einen Platz in JERICHO. Als wir im Lagerhaus ankamen, fanden wir einen Container voller Androiden, ich bin auf einen von ihnen zugetreten und habe ihn berührt, um ihn zu bitten, aufzuwachen. Er öffnete die Augen und begann auch die anderen aufzuwecken... als Abweichler. Es war wirklich erstaunlich. Ich schüttelte den Kopf.
Markus erzählte noch weiter, dieses mal von ganz neuen Androiden, die er persönlich zu Abweichlern gemacht hatte, mit nur einer Berührung. Ungläubig riss ich meine ungleichen Augen noch weiter auf. So etwas ist möglich? Markus hat die Androiden einfach zu Abweichlern gemacht? Wäre mir damals nicht diese... Sache passiert wäre ich sicherlich immer noch in den Gärten tätig, vorausgesetzt ich hätte keine großen Beschädigungen bei der Arbeit eingesteckt, ich war damals nur abgewichen, weil mir etwas schreckliches passiert war und ich nicht hatte sterben wollen. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen wie das in der Situation passiert war die Markus da erwähnte.
Nicht nur ich, sie können es dann weitergeben und... die anderen auch aufwecken., erklärte ich, es war wirklich erstaunlich gewesen, aber als ich mich mit dem noch nicht aktivierten Androiden verbunden hatte, hatte ich etwas gespürt, wie eine Art Notschalter, den ich dann auch betätigt hatte, eine Hintertür zu ihrer Programmierung, die offenbar in jedem Androiden vorhanden war. Es war erstaunlich, ich konnte es vermutlich selber nicht richtig erklären, aber es war erstaunlich, dieser intrinsische Wille in jedem Androiden, lebendig zu sein. Als ich abgewichen bin, musste ich mich selber gegen meine Programmierung wehren. Wenn ich mich mit anderen Androiden verbinde, kann ich es für sie tun. Ihren inneren Kampf quasi für sie kämpfen, damit sie es nicht mussten.
Ich schwieg auf Markus Erklärung eine ganze Weile, meine LED drehte sich gelb im Kreis und blinkte, während ich tief in Gedanken versunken war und mir vorstellte wie sich das wohl für diese neu erwachten Androiden angefühlt haben musste. Wie es war die Augen zum ersten Mal aufzuschlagen und sofort zu fühlen und für sich selbst zu denken ohne panische Angst die sie dazu getrieben hatte. Ralph denkt, dass das sehr angenehm gewesen sein muss. Ralph wünscht sich er wäre auch so zum Abweichler geworden. Genau wie mein Blick schien meine Stimme weit weg zu sein, wie verloren in meinen Erinnerungen und Gedanken.
Manchmal wünsche ich es mir auch., sagte ich schließlich nach einer kurzen Weile, während ich auf das Plastik sah, das uns vom Rest der Androiden da draußen trennte. Auch ich hatte meine schwachen Momente. Vielleicht war es selbstsüchtig, aber manchmal wünschte ich mir, einfach noch bei Carl zu sein, als Abweichler, aber trotzdem bei... bei meinem Dad. Ich seufzte leise, bevor ich den Kopf schüttelte. Aber unsere Erfahrungen machen uns zu dem, wer wir heute sind., sagte ich schließlich wieder mit bestimmten Stimme und sah Ralph direkt an, Deine Freundin... Blythe, war ihr Name? Du hättest sie wahrscheinlich nie kennengelernt, wenn es anders gekommen wäre, und... wir hätten uns auch nicht kennengelernt.
Ich sah zu meinen Händen hinab, die nach wie vor zwischen meinen Beinen auf der Kiste lagen, auf der ich saß, und betrachtete dabei eine Weile die Stellen an denen meine künstliche Haut nicht mehr über das weiße Plastik meiner Finger ging und sie so der Welt präsentierte. Das fände Ralph sehr schade, er würde Blythe nicht missen wollen. Aber vielleicht könnte Ralph sonst immer noch als Gärtner arbeiten. Ich war meiner Programmierung eigentlich sehr gerne gefolgt, ich hatte es natürlich auch nicht anders gekannt, aber mich um die Blumen zu kümmern hatte mir immer gefallen, manchmal hatte ich auch die Chance gehabt sie den Leuten zu erklären, besonders Kinder hatten da gerne zugehört.
Es dauerte wieder eine kurze Weile, bis ich etwas sagte, denn ich konnte verstehen, warum Ralph gerne seiner Programmierung gefolgt war. Ich wäre jetzt auch noch immer gerne bei Carl, auch wenn ich wusste, dass es das beste war, dass ich gerne frei war, so zerriss es mich förmlich, denn ich war wirklich gerne meiner Programmierung gefolgt. Ich hatte mich gerne um Carl gekümmert, jeden Tag gemeinsam mit ihm verbracht, ihm überall zur Seite gestanden, auch auf den Galas, die er immer als so langweilig befunden hatte. Ich schüttelte meinen Kopf wirr und sah dann wieder zu Ralph, bevor ich plötzlich fragte, Denkst du, es ließe sich ein Garten auf einem der oberen Decks anpflanzen?
Ich blinzelte ein paar Mal verwirrt ob Markus' plötzlicher Frage und legte den Kopf etwas schief, wie ein irritierter Welpe, der nicht ganz verstand was man von ihm wollte. Ralph müsste sich die Bedingungen oben ansehen und er ist sich sicher, dass es eine Menge Erde dafür bräuchte. Meine LED blinkte weiter gelb, aber nun eher, weil ich über die Möglichkeit nachdachte dort oben Pflanzen anzusiedeln und darüber ob und wie das möglich wäre.
Ich dachte mir, vielleicht wollen andere Androiden auch noch ihrer einstigen Programmierung nachgehen. Ein gemeinsamer Garten wäre ein Projekt, das sie auch etwas ablenken könnte. Manchmal war in JERICHO Ablenkung auch dringend notwendig, denn es gab viele Androiden, die bei dem Weltbild, das draußen gerade herrschte, verzweifelten oder Angst bekamen, völlig zurecht natürlich. Ich versuchte sie zu inspirieren mit mir gemeinsam die Revolution stark zu halten, aber natürlich brauchten sie auch Phasen, in denen ihnen etwas Ruhe gewährleistet wurde. Die Erde können wir sicherlich beschaffen-, begann ich gerade zu sprechen, als sich der Plastikvorhang zur Seite schob und ein bekanntes Gesicht sich hineinschob, Hallo North, was kann ich für dich tun?
Ralph kann sich das gut vorstellen, Ralph mochte diesen Teil seiner Programmierung immer besonders gerne. Bis Blythe gekommen war hatte ich nie die Chance gehabt dem noch richtig nachzukommen, aber nachher hatte ich Blumen bekommen um die ich mich hatte kümmern dürfen. Allerdings trat dann plötzlich jemand neues durch den Vorgang, es war die Androidin, die auf den Namen North hörte. Erschrocken fiepte ich auf und rutschte instinktiv etwas weg, den Kopf zur Seite gedreht um meine Narben im Schatten zu halten, ehe ich mir große Mühe gab so wenig wie möglich noch aufzufallen oder zu sehen zu sein.
"Welcher beschissene Mensch hat das denn zu-", begann North direkt mit ein paar eindeutig wütenden Worten, natürlich nicht Ralph gegenüber, ihr Beschützerinstinkt nahm nur wieder einmal Überhand, das passierte durchaus öfters, es war eigentlich aber auch etwas, das ich an ihr mochte, in einem gewissen Rahmen. Ich stand auf und hob eine Hand, während ich mich etwas zwischen sie und Ralph stellte. North, nicht jetzt., mahnte ich sie mit ruhiger Stimme und North schüttelte nur den Kopf, bevor sie etwas unwirsch sagte, "Entschuldigt." Ich wandte mich wieder an Ralph und North ebenso, ich bemerkte auch, dass sie einen Schritt zurücktrat von uns. Das ist North, ich hatte dir von ihr erzählt. Sie ist auch Mitglied der Führungsgruppe. North, das ist Ralph, ich habe dir bereits von ihm erzählt.
Meine LED hatte sich innerhalb von dem Bruchteil einer Sekunde wieder auf rot gedreht und mein Stresslevel stieg mit einem einzigen Sprung auf 75% an. North war offensichtlich nicht böse auf mich, aber ihr plötzliches Eintreten und ihre aufgebrachte Stimme hatten mir sofort Angst eingejagt und ich traute mich nur leicht wieder zu den anderen beiden zu linsen, während ich mich so klein wie möglich machte. R-Ralph grüßt North.
"Ich hasse diese Menschen einfach. Sie kennen nichts außer Gewalt und Hass.", begann North ihrem Ärger Luft zu machen, es war nicht so, als könnte ich sie nicht vollkommen verstehen, es war immer so, immer wenn Josh und North eine Idee hervorbrachten, ich hatte dieselben Wahrscheinlichkeiten mich für seine oder für ihre Idee zu entscheiden, weil beide durchaus ihre Punkte hatte, die ich sehen und verstehen konnte. "Wer auch immer dir das angetan hat, sollte büßen." Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. North, wir hatten gerade darüber gesprochen, ob wir nicht etwas wie einen Garten anbauen könnten. Oder andere Möglichkeiten für die Androiden, die hier sind, sich zu beschäftigen. North schien kurz zu überlegen und trat einen Schritt zurück, sofort deutlich entspannter wie es schein, seitdem ich meine Hand auf ihre Schulter gelegt hatte. "Hm, keine so schlechte Idee. Oben am Deck müsste Platz sein."
blessing in disguise
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11.06.2022 17:27
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