Auch wenn es sicher als Beschwichtigung gedacht gewesen war, so hatte ich dennoch ein wenig Sorge, was "kleine Schäden" genauer beinhaltete, denn ich wollte nicht, dass jemandem wegen mir etwas passiert war, so wichtig war ich nun auch nicht, ganz egal, was Simon vielleicht sagte oder auch bereits gesagt hatte. Ich zog die Augenbrauen zusammen, während ich Simon scannte, aber so wie ich ihn momentan betrachtete konnte ich keine Schäden erkennen, nur seine LED blinkte ein wenig. Besser., antwortete ich ihm trotzdem zuerst auf seine Frage, mit einem weichen Unterton in meiner Stimme, den ich sogar selber bemerkte, vermutlich aus reiner Dankbarkeit Simon gegenüber, der mich immer gerettet hatte. Die sogenannten "kleinen Schäden" ließen mich dennoch nicht los, weshalb ich ihn aufforderte, Zeig sie mir.

Das ist gut. Mein Tonfall war deutlich erleichtert darüber, dass Markus sich wieder beruhigt hatte. Als ich ihn so gestresst gesehen hatte hatte ich einfach meinem ersten Instinkt folgen und den anderen Androiden beruhigen müssen, ich sah nur sehr ungern andere in einem solchen Zustand und bei Markus war es aus irgendeinem Grund nur noch stärker gewesen, dieses Bedürfnis für ihn da zu sein. Ich zögerte kurz, doch zog dann meine Hände von Markus' Schultern zurück, ehe ich sie mit den Handflächen nach oben zwischen uns hielt. Sie zeigten die weiße Außenhülle, die unsere Körper eigentlich ausmachte, denn meine Haut hatte sich um die zersplitterten Teile herum zurück gezogen. Es sah wirklich schlimmer aus, als es war, mein Selbstreperaturprogramm war schon am Arbeiten und begann damit die Teile wieder zusammen zu fügen wo es das konnte, ein bisschen Blaues Blut war auch ausgetreten, aber es war nicht viel und schon getrocknet. Siehst du? Nicht schlimm.

Ich hatte es mit meinen eigenen ungleichen Augen erst sehen müssen, um es auch zu glauben, und ich konnte nicht anders, als meine Hände unter die von Simon zu legen, um seine zu stützen, dort an den Stellen, wo sie unbeschädigt waren. Ich scannte seine Hände, aber wie von Simon vermutet, es waren alles Schäden, die sein Körper problemlos selbst reparieren würde und auch bereits reparierte. Nun senkte sich auch der Rest meines Stresslevels wieder nach unten und ich nickte, bevor ich aus meiner noch knienden Position zu ihm hochsah. Du bist sehr stark, Simon., sagte ich schließlich, Auf mehr als nur eine Weise, wie es scheint. Trotzdem hielt ich seine Hände noch in meinen, ich hielt sie nicht fest, ich stützte seine Hände eher.

Ich spürte deutlich wo Markus' Hände die meinen berührten, wo sie sie unterstützten, auch wenn ich sie natürlich eigentlich problemlos so halten konnte. Es war ein angenehmer Kontrast zu dem schmerzhaften, rauen Gefühl meiner verletzten Handflächen, irgendwie beruhigend, auch wenn ich nicht mehr zu aufgeregt war. Unsinn. Ich lächelte wieder etwas und schüttelte den Kopf. Das war reines Glück und der Balken war gar nicht so schwer. Ich spielte es herunter, das bemerkte ich selbst auch, denn der Balken war doch sehr schwer gewesen, aber so war ich nun einmal, ich wollte niemandem unnötige Sorgen machen.

Selbstverständlich bemerkte ich auch, wie Simon seine eigenen Fähigkeiten herunterspielte, es stellte einen großen Kontrast dazu dar, wie ich damals mit Carl gesprochen hatte und er sich immer wieder bei mir beschwert hatte, was für schwache Maschinen Menschen doch wären, während ich ihm versichert hatte, dass wir Androiden doch in Wahrheit die schwächeren wären. Ich war ihm für alles dankbar, ich wusste nicht, ob ich ohne ihn zum Abweichler geworden wäre. Aber trotzdem war es unangenehm daran zurückzudenken was meine Programmierung mir aufgezwungen hatte. Gar nicht so schwer?, fragte ich nun allerdings mit einem gewissen Scherz in der Stimme, Du musst noch stärker sein als erwartet. Ich lachte leise und grinste Simon dann kurz an, bevor ich seine Hände wieder losließ und meinte, Sehen wir uns noch die anderen Kajüten an. Wir folgten meinem Plan auch, wobei ich hier und da immer wieder nach dem Zustand von Simon's Händen fragte, einfach nur aus Interesse, er hatte sich schließlich für mich beschädigt, auch wenn ich gesehen hatte, dass seine Beschädigungen bereits am verschwinden waren. Wir fanden auch einige Kajüten im deutlich besseren und deutlich schlechteren Zustand, wir würden diese wohl in den nächsten Tagen ausräumen müssen.

return Kapitänskajüte

Ich... uh... Ich blinzelte perplex, unsicher was ich nun sagen sollte, ich fühlte mich als hätte Markus mir eine Falle gestellt, nur um mich zu komplimentieren, etwas, was mich wieder verlegen machte. Zum Glück wollte der andere Android nun auch wieder aufbrechen und ich musste gar nichts mehr dazu sagen. Stattdessen erhob ich mich und untersuchte mit Markus zusammen noch weitere Kajüten, die noch viel Arbeit brauchten um richtug genutzt werden zu können. Da meine Hände sich recht schnell selbst reparierten musste ich Markus nichts vormachen, wann immer er nach ihnen fragte, und zeigte sie bereitwillig her. An meinen Handrücken aber fühlte ich noch eine Weile die Phantomberührungen von Markus' Fingern.
(Kapitänskajüte)

input_value Decks des verrosteten Frachtschiffes

Eine kurze Zeit lang hatte ich noch auf die Stelle an meinem Arm gesehen, auf der die Hand von Simon gelegen hatte, bevor ich meinen Blick wieder nach vorne gewandt hatte. Die meisten Kajüten waren inzwischen schon deutlich sicherer und teilweise auch bewohnt, aber wir befanden uns noch immer auf einem älteren Schiff und es galt Vorsicht warten zu lassen, während ich also aufmerksam die Umgebung scannte, schien Ralph sich gar nicht erst zu bewegen, völlig versunken in seiner Stasis. Schließlich kamen wir bei meiner Kabine an, deren Tür zum Glück noch offen stand. Auf dem alten Bett, auf dem früher Menschen geschlafen haben dürften, legte ich Ralph vorsichtig nieder. Es muss ein schwerer Verlust für ihn gewesen sein.

Ich war sehr froh unter Deck zu kommen, es hatte wieder zu schneien begonnen und mir war wieder einmal sehr kalt. rA9, lass den Frühling schnell kommen. Hier unten war es allerdings besser, zumal auch noch Markus in meiner nähe war, der Wärme nur so ausstrahlte, wie ein laufender Heizkörper. Ralph lag weiterhin still in Markus' Armen und bald im selben Zustand auf einem der Betten in einer der hergerichteten Kajüten. Ich blieb dicht neben Markus stehen und sah auf den gestörten Androiden hinab, der sich kurz zuvor noch so freudig mit dem geplanten Garten beschäftigt hatte. Er war ihr offenbar sehr zugetan. Den Verlust eines Menschen so schwer zu nehmen passierte für gewöhnlich eher Androiden wie mir, die sich um Kinder kümmerten, da diese sich förmlich an einen banden, solange sie nicht verstanden, dass man kein Mensch war, und Androiden, die sich um Alte zu kümmern hatten, die den Unterschied teils auch nicht mehr erkannten und sich deshalb mehr auf ihre Helfer einließen. Zu dieser Kategorie zählte Markus, selbst wenn Carl, nach dem was ich über ihn wusste, wohl einfach nur ein guter Mensch und nicht ein Alter mit Demenz war.

Zustimmend nickte ich, wenn ich ehrlich war, dann konnte ich Ralph wohl besser verstehen als die meisten hier, denn im Gegensatz zu vielen hatte ich ebenfalls eine sehr positive und schützende Verbindung zu einem Menschen gehabt, und ich hoffte dies auch irgendwann wieder zu haben, wenn ich mich nicht mehr hier verstecken musste die meiste Zeit, aber das war etwas, das nicht viele Abweichler von sich behaupten konnten. Allerdings platzten wie aufs Kommando plötzlich Josh und North durch die Tür. "Markus, du wirst dringend gebraucht. Komm mit.", ließ letztere auch gleich verlauten und marschierte wieder davon, aber Josh schien einen Moment zu zögern, als er Ralph auf der Koje liegen sah, ich nickte ihm also auffordernd zu und er gesellte sich auf den eingebauten Stuhl in der Kajüte neben Simon, er würde ihm Gesellschaft leisten anstatt mir. Passt gut auf Ralph auf., sagte ich noch, während ich mich beeilte North zu folgen, aber kurz noch einmal hochsah zu Simon für ein warmes Lächeln und ein letztes; Danke, Simon.

return Das Bildungszentrum » Greektown

Ich hatte mich neben Ralph auf die Koje gesetzt und zuckte zusammen, als North, zusammen mit Josh, so plötzlich die Türe aufriss. Mein Blick fuhr sofort zu Ralph, doch wie eigentlich erwartet blieb er in seiner Stasis und wurde nicht durch den Anstieg an Geräuschen aufgeschreckt. Irgendetwas verlangte nach Markus' Aufmerksamkeit, North ließ keinerlei Widerspruch gelten und war schon auf dem Weg zurück, wo auch immer sie unseren Anführer brauchen mochte, aber wenigstens Josh hatte die Güte etwas zu bleiben. Er blieb sogar noch etwas länger, denn Markus bat ihn nonverbal darum, ehe er sich zum gehen wandte. Ich sah zu ihm hoch und schenkte ihm ein Lächeln. Nichts zu danken. Und schon war er weg und ich blieb mit Josh und Ralph in der Kajüte zurück. Unauffällig zog ich meine Ärmel weiter über meine Hände und begann ein lockeres Gespräch mit Josh, auch wenn meine Gedanken weit weg waren.

"Simon!" Die Stimme eines anderen Abweichlers ließ mich sofort auffahren und zur Tür springen, davor hielt gerade schlitternd ein AC900 an, Julius hieß er und war noch nicht allzu lange bei uns, er war erst vor kurzem von seinem Programm abgewichen und für ihn war alles noch sehr neu. Seine Aufgeregtheit über alle neuen Dinge brachte mich immer wieder zum Schmunzeln, doch natürlich nahm ich ihn immer ernst dabei, so wie auch jetzt. Ich warf Josh einen bittenden Blick zu, dass er bei Ralph bleiben sollte, und trat zu Julius nach draußen auf den Gang. Was ist denn passiert? Bist du okay? Ich betrachtete den anderen Abweichler etwas besorgt, war aber beruhigt, als dieser den Kopf schüttelte. "Mir gehts gut. Markus hat einen neuen Abweichler mitgebracht, einen weiteren RK, einen RK600." Nun konnte ich seine Aufregung sehr viel besser verstehen, vor Markus hatte ich ebenfalls noch nie einen Androiden dieser Reihe gesehen, soweit ich wusste wurden sie speziell nach Wunsch und Nutzen gefertigt, der RK900, den ich vor einer Weile kennengelernt hatte, hatte auch diesen Eindruck gemacht. Das ,achte diese Modelle auch so selten, nein, einzigartig. Einzigartig wie es auch Markus war. Danke, dass du mir bescheid gesagt hast. Bringst du mich zu ihnen? Julius nickte und gemeinsam gingen wir los, durch die verworrenen Gänge des alten Frachtschiffes.
(Der Versammlungsplatz)