Die nächsten Stunden brachte ich im Warteraum zu, ich hatte es geschafft zumindest meine Hände und Arme zu waschen und hatte auch einen Kaffee getrunken. Dann hatte ich es auch tatsächlich hinbekommen Connor und Nines zu schreiben um ihnen Bescheid zu geben was los war, ehe ich die nächste Zeit einfach still auf meinem unbequemen Stuhl gesessen war und auf Informationen gewartet hatte. Schließlich kam endlich, endlich ein Arzt zu mir, der mir mitteilte, dass Gavin noch lebte und in welchem Raum er lag. Mit einem knappen Wort des dankes war ich schon wieder auf den Beinen, mein Rücken brachte mich gerade fast um, und ging direkt zu Gavins Zimmer. Dort zog ich einen Stuhl an sein Bett heran und ließ mich darauf mit einem schweren Seufzen fallen. Gavin sah nun wenigstens etwas besser aus, nachdem all das Blut weggewaschen und durch Bandagen ersetzt worden war, doch man sah ihm weiterhin deutlich an was er alles durchlitten hatte und ich gab es nicht gerne zu, aber es zerriss mir das Herz ihn so zu sehen. Wir hatten unsere Differenzen und seit unserem Streit damals hatten wir kaum mehr ein ziviles Wort miteinander gewechselt, doch zwischen uns hatte es davor eine mehr als innige Bindung gegeben, die ich nicht einfach leugnen konnte. Gavin hatte zur Familie gehört, er war für mich wie ein Sohn gewesen, der Gedanke daran ihn auch endgültig zu verlieren brachte mich fast um. Ich lehnte mich mit den Unterarmen auf das Bett neben Gavins Beinen und senkte müde den Kopf. Warum bist du nur so ein unfassbarer Idiot? Ich war mir nicht sicher ob ich das nun mich oder Gavin fragte, vermutlich uns beide gleichzeitig, wenn ich ehrlich war.

Eine Stimme, tief und etwas rau, die mir sehr bekannt vorkam, war das erste, was ich wieder bemerkte, als ich langsam auch wieder ein leises Piepsen hörte, das mich im ersten Moment fast irritierte, nicht gerade das, womit ich gerechnet hatte. Klar, mein Leben wäre etwas erbärmlich gewesen, wenn es jetzt und hier beendet worden wäre, aber hätte ich dann nicht wenigstens meine Ruhe vor solchen nervigen Piepstönen? Langsam blinzelte ich, meine Sicht noch ziemlich verklärt, während ich versuchte mich zu orientieren. Definitiv kein Nachleben, oder vollkommene Dunkelheit, was auch immer, jedenfalls wirkte ich nicht tot, auch wenn ich mich noch etwas benebelt fühlte. Ich fand allerdings schnell heraus, warum das so war, denn als ich versuchte mich aufzurichten, spürte ich ein Stechen in meiner Brust, das mich sofort wieder davon abhielt. Schmerzmittel, das war das, was ich fühlte. Vermutlich kamen sie von dieser Infusion, die direkt neben meinem Bett stand, neben Hank, der dort saß. Moment... Hank? Was zum Teufel machst du hier? Meine Stimme war leise, klein, beinahe etwas ängstlich, ich hätte mich selber damit erschreckt, aber gerade fühlte ich mich noch nicht in der Lage angemessen zu reagieren.

Kurz hatte mein Intercom gebrummt und ich hatte Connor noch geantwortet, ehe ich meine stille Wacht wieder aufgenommen hatte und mich eine ganze Weile trüben gedanken hingab. Mein Kopf fuhr hoch, als ich Gavins Stimme hörte. Er war aufgewacht, er sprach, er fluchte sogar, es war also alles wieder gut. Nun ja, zumindest starb er nicht mehr, ich nahm was ich kriegen konnte. Ich fuhr mir mit der Hand über das müde Gesicht und verdrehte dann in Gavins Richtung die Augen. Ich beobachte gerne Leute in ihren krankenbetten, weißt du? Ich bin hier, weil ich dein verdammter Notfallkontakt bin und vor Ort war. Ich hab dir übrigens den Arsch gerettet, kein Dank nötig. Trotz meiner harschen Worte schaffte ich es nicht das sonst so übliche Gift in sie zu legen, ich klang einfach nur müde und geschafft, aber auch eine gute Spur erleichtert.

Hank hatte mich gerettet. Natürlich, langsam konnte ich mich auch wieder daran erinnern, ich hatte mich sogar bei ihm entschuldigt, ich hatte solche Angst gehabt zu sterben. Trotz all meinem Reden über mein erbärmliches Leben, in den letzten Tagen war es doch deutlich weniger erbärmlich und armselig gewesen, verändert durch Nines und Joker. Allerdings kam doch ein leises, ersticktes Geräusch aus meiner Kehle, als Hank davon sprach mein Notfallkontakt zu sein, denn ich hatte es tatsächlich nie verändert. Vielleicht hatte ich es einfach vergessen, vielleicht aber auch, weil ein Part von mir gehofft hatte... Ich habe es nie geändert..., flüsterte ich leise in mich hinein und sah auf meine vollkommen eingewickelte Brust hinab, Phck, ich bin so ein Idiot. Meine Stimme klang noch immer sehr klein und ich spürte ein wenig Angst in meiner Brust aufsteigen, die sich etwas zu schnell hob und senkte.

Ja das bist du. Ich schüttelte den Kopf über Gavin und überlegte ob ich nicht besser aufstehen und wieder gehen sollte, doch dann bewegte sich mein Körper mehr oder weniger von alleine und ich fasste vorsichtig nach Gavins Hand, die ebenso einbandagiert und fixiert war wie die Hälfte seines restlichen Körpers. So ein fucking Idiot, dass du mir so einen verdammten Schrecken einjagst. Ich schwöre dir, wenn du das noch einmal tust bringe ich dich persönlich ins Grab, Son.

Leicht zuckte ich weg, geschuldet wahrscheinlich einfach meinem übergereizten Zustand, ansonsten hätte ich jede solche Schwäche versucht zu unterdrücken, aber ich bereute es auch sofort, denn nicht nur durchfuhr ein unangenehmer stechender Schmerz meinen gesamten Körper, sondern ich spürte auch Hank's Hand... auf meiner eigenen. Das kam nun wirklich unerwartet, was aber noch viel unerwarteter kam, waren seine Worte danach, oder viel eher ein einziges Wort. Son. Sohn, ein Wort das ich seit Jahren nicht mehr gehört hatte, vielleicht ab und zu von Fowler, aber meistens in einem nicht gerade fröhlichen Tonfall, denn wann war die alte Kristallkugel denn schon gut drauf, aber vor allem nicht von Hank. Normalerweise hatte ich immer eine riesige Klappe, aber gerade konnte ich nichts anderes tun, als mich etwas aufzurichten, wider dem Schmerz, und Hank aus fassungslosen Augen anzusehen. Ich öffnete den Mund, aber ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte, während ich spürte, wie sich so ein Druck in mir aufstaute und, schlimmer noch, sich Tränen in meinen Augen zu sammeln begannen.

Hey, bleibst du gefälligst liegen? Ich erhob mich und versuchte Gavin wieder zurück auf sein Bett zu drücken, was sich als schwierig herausstellte, denn ich wollte ja nirgendwo andrücken wo die Ärzte seinen Körper so mühevoll gerichtet hatten, doch da gab es kaum eine Stelle auf die das nicht zutraf. Allerdings sah ich so sehr gut die Tränen in Gavins Augen und realisierte langsam auch was ich da gesagt hatte. Ich hatte Gavin seit unserem Streit nicht mehr so genannt, ich hatte ihn nicht mehr als das bezeichnet was er einst für mich gewesen war: Mein Sohn. Ach scheiß doch drauf. ich ließ seine Hand los, nur um vorsichtig meine Arme um den geschundenen Körper des jüngeren Detective zu legen. Verdammt, ich bin so froh, dass du noch lebst, du Trottel.

Natürlich hatte ich nicht auf Hank gehört, aber ich konnte auch gerade nicht den Schmerzen entgehen, die durch meinen gesamten Körper fuhren, einfach nur durch diese kleine Aktion, auch trotz der Schmerzmittel, weshalb ich mich sowieso dann gar nicht mehr bewegte, auch zurücklehnen kam mir zu viel vor. Hank schien mich allerdings trotzdem gerade wieder zurückdrücken zu wollen, zumindest bis er sich anders entschied und mich... in seine Arme nahm. Es war mir unbeschreiblich, ich war vollkommen überfordert, im ersten Moment bewegte ich mich gar nicht, die Augen vor lauter Unglauben noch aufgerissen, mein Mund leicht geöffnet, hilflos in der Situation. All diese bösen Worte, jede noch so schmerzhafte Aktion, jede Drohung, alles hatte uns hierher gebracht, wieder zusammen. Schließlich, ganz langsam, lehnte ich mein Kinn an Hanks breiter Schulter ab, vor ich auch langsam, wenn auch schmerzhaft, meine Arme ebenfalls um ihn legte. Ich habe dich vermisst. Ich hatte Angst es zuzugeben, als würde es, wenn ich es aussprach, überhaupt erst real werden. Ein paar einzelne Tränen rollten über meine Wangen hinab.

Ich behielt einen Arm sichernd um Gavins Rücken gelegt, damit er nicht sein ganzes Gewicht selbst halten musste, und fuhr mit der andere Hand hinauf, über seinen Nacken, den er sich wie durch ein Wunder nicht gebrochen hatte, zu seinem Hinterkopf, den ich nun auch stützte. Ich dich auch. Meine Antwort war mehr ein riefes Brummen, leise und nur schwer verständlich, aber sie war schmerzhaft ehrlich. Gavin bedeutete mir immer noch mehr als ich es bisher zugeben wollte, unsere ewigen Streitereien hatten mich nit jedem Mal mehr verletzt, doch ich hatte selbst nicht gewusst wie ich aufhören sollte.

Ein wenig hatte ich das Gefühl einfach in die breite Statur von Hank hineinzusinken, aber es war ein sehr schönes Gefühl, so schön, dass es mich von innen heraus zu wärmen schien, so sehr mir das Gefühl selbst auch Angst bereitete. Ich fühlte mich sicher in seinen Armen, ein Gefühl, das ich nur sehr selten wirklich verspürte, aber gerade seine drei nächsten Worte brachten mich dazu wirklich loszulassen und einfach in dieser Umarmung zu versinken. Es war als hätte ich all diese Jahre auf diesen Moment gewartet, ohne es wirklich zu wissen. Ich fühlte mich klein, klein und schwach, aber trotzdem in Sicherheit. Ich hatte solche Angst gehabt zu sterben, doch ich hätte eher mit dem Tod als hiermit gerechnet.

Schon okay Kid. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Er lebt er wird wieder. Ich habe ihn nicht verloren. Schon okay. Ich ließ Gavin sich einfach an mich lehnen und hielt ihn fest. Ich fühlte mich vor Erleichterung ganz benebelt, ich war einfach unfassbar froh, dass Gavin lebte und atmete und ich ihn nicht verloren hatte. Ich wusste nicht was ich getan hätte, hätte ich ihn verloren, hätte ich noch einen Sohn sterben sehen müssen, auch wenn wir uns seit Coles Tod entfremdet hatten.

Tough. So gab ich mich gerne, ich hasste es jede noch so kleine Schwäche vorzuzeigen, ich wollte immer der beste sein, besonders bei der Arbeit, ich ging dafür über quasi alles, außer Leichen, Hauptsache ich kam weiter, doch hier, jetzt gerade, konnte ich es nicht sein. Ich konnte nicht taff sein, ich konnte mich nur halten lassen. Für einen kurzen Moment hatte ich mir gedacht, dass ich alles verloren hatte. Mein Leben vorbei, gerade wo ich es geschafft hatte zumindest ein wenig in den Griff zu kriegen. Gerade, wo ich Nines und Joker gefunden hatte. Aber dann war Hank gekommen, irgendwie beinahe schon ironisch, mein Held, mein Retter, ich hatte schon sehr lange nicht mehr so über ihn gedacht, aber jetzt waren wir hier, im Krankenhaus, lagen einander in den Armen oder, wenn ich ganz ehrlich war, ich eher in seinen, als hätten wir uns nicht das Leben die letzten Jahre zur Hölle gemacht. Phck. Ein ganz leises Schluchzen entkam mir, es würde auch das einzige bleiben, aber ich konnte die Tränen nun wirklich nicht mehr aufhalten.

Es brach mir fast wieder das schon so schwer geschundene Herz, als ich Gavin Schluchzen hörte, aber alles war besser als die Stille, die sich um ihn herum ausgebreitet hatte, als er dabei war sein Leben auszuhauchen. Ich spürte seinen warmen, atmenden und leicht bebenden Körper an meinem und konnte ihn halten, während seine Tränen nun langsam mein Blut bespritztes Hemd durchnässten und auch meine Augen nicht länger trocken blieben. Stumm liefen mir einige Tränen in den Bart und ich schloss die Augen, ehe ich meine Wange gegen Gavins Kopf lehnte.

Langsam kehrten nun auch wirklich die Schmerzen in meine Glieder zurück, vermutlich weil ich nun wirklich wach war, nicht mehr im Schockzustand und auch weil die Schmerzmittel wieder langsam nachließen. Trotzdem konnte ich mich nicht dazu bringen Hank loszulassen, als hätte ich Angst, wenn ich es tat, wäre der Moment vorbei und alles würde wieder zum Alten zurückkehren, denn wie ich nun realisierte, das wollte ich nicht, das wollte ich auf keinen Fall. Es würde nicht von heute auf morgen alles gut werden oder sich alles ändern, aber alleine das bedeutete mir schon so viel, dass ich gar nicht wusste, wie ich es mit Worten ausdrücken sollte. Vollkommen erschöpft weinte ich mich also in Hank's Armen aus, wie ein kleines Kind bei seinen Eltern, nicht dass ich so etwas wirklich gehabt hatte. Schließlich ertönte allerdings ein leises Klopfen an meinem Zimmer, doch ich konnte mich nicht dazu bewegen mich von Hank zu lösen, noch nicht jetzt.

Ich hielt Gavin und ließ zu, wie seine Tränen mich durchweichten, während meine eigenen langsam meinen Bart durchnässten, was mich alleridngs auch nicht so recht störte. Ich war einfach nur froh, nicht noch einen Sohn verloren zu haben und vielleicht, wenn ich es wirklich wagte hoffnungsvoll zu sein, eher einen wieder dazugewonnen hatte. Es würde noch viel mehr Arbeit verlangen, wir würden uns ohne Zweifel wieder beleidigen, aber ich hatte das Gefühl, dass hier nun der Grundstein für etwas neues und doch so altes gelegt wurde. Ich hörte auch das zarte Klopfen an der Tür, doch gavin rührte sich nicht. Ich drehte etwas den Kopf, um mehr oder minder in seine Haare flüstern zu können. Ich glaube da will wer was von dir Kid. Ich bleibe hier, okay? Ich gehe nirgendwo hin.