Beleidigungen prallten an mir ab. Meine Programmierung ließ es nicht immer zu darauf überhaupt einzugehen. Momentan boten sich laut meinem Sozialmodul allerdings mehrere Optionen mit dieser Situation umzugehen. Ich wollte keinen Konflikt. Auch das war in meiner Programmierung. Aber ich wusste auch nicht ob ich den vermeiden konnte. Ich beschloss einfach darauf zu beharren. "Bitte - hören Sie jetzt auf zu trinken und kommen Sie mit mir mit. Das würde uns beiden die Sache erleichtern." Der Barkeeper hatte inzwischen seine Aufmerksamkeit auf uns gerichtet. Doch ich ignorierte ihn.
Anstatt meinen letzten Satz einfach so stehen zu lassen fügte ich noch etwas an. Womöglich fühlte sich der Lieutenant einfach unwohl in der Anwesenheit eines Androiden. Ein nachvollziehbares Problem. Das hatten viele obwohl es Androiden schon länger gab. "Ich weiß dass sich einige Menschen in der Anwesenheit von Androiden unwohl fühlen." Mein Tonfall wurde ein kleines bisschen weicher. Wenn auch nicht viel. Die Art wie ich sprach war eben auch ein Teil meiner Programmierung. "Aber ich-"

Connor kam natürlich nicht meiner Aufforderung nach sich zu verpissen, statt dessen gab er mir ganz tolle Ratschläge wie "Hör auf zu trinken.", und "Komm aus der Bar raus." Genauso wie er nicht mir, entsprach ich auch nicht seinen Wünschen, nickte, als würde ich ihm zustimmen, doch machte keine Bewegung die Bar zu erlassen. Statt dessen trank ich wieder aus meinem Glas. Ja genau, du kleines Arschloch. Nun setzte der Android wieder zu sprechen an und kratzte mit seiner Aussage kräftig an meiner Geduld, weshalb ich ihn gleich unterbrach, ehe er weiter sprechen konnte. Ich richtete mich auf und machte mit beiden Händen eine klar stellende Bewegung. Ich fühle mich vollkommen wohl. Nur um das einmal klar zustellen. Ich wollte nicht von einem verdammten Androiden falsches Verständnis gezeigt bekommen. Und jetzt verzieh dich, bevor ich dich wie eine leere Bierdose zerdrücke. Ich fand wieder in meine etwas zusammengesunkene Haltung zurück und sah wieder auf die Theke.

Die Beleidigungen gingen wieder spurlos an mir vorbei. Der Lieutenant schien ein etwas seltsames Verständnis von Androiden zu haben. Er hätte keinesfalls die Kraft dazu mich zu zerdrücken wie eine Bierdose. Trotzdem ersparte ich ihm diese Information. Meine momentane Programmierung verbot es mir leider mich "zu verziehen". Das Höchste was ich anbieten konnte war draußen zu warten bis er fertig war. Allerdings entschied ich mich dagegen. Es schien mir eine ineffektive Lösung. "Wissen Sie was? Ich spendier' Ihnen einen für unterwegs." Ich machte eine kleine Sprechpause und sah ihn erwartungsvoll an. "Was sagen Sie?"
Allerdings wartete ich gar nicht erst auf eine Antwort. Stattdessen wandte ich mich einfach den Barkeeper zu. Er hatte noch immer die Augen auf uns. "Barkeeper noch mal das Gleiche - bitte!" Ich nahm etwas Geld heraus um es auf den Tresen direkt vor Hank zu legen. Ich hoffte das ihn das mehr überzeugen würde. Mein Analyseprogramm sagte mir das er sich laut seiner Körperhaltung sehr zurückgezogen und angespannt verhielt. Dieser Zustand würde sich hoffentlich bald verbessern.

Das wiederum fing nun doch etwas meine Aufmerksamkeit ein, denn was Connor da tat befand ich merkwürdigerweise als vernünftig und fast etwas menschlich. Abartiger Gedanke. Dennoch richtete ich mich nun wieder deutlich mehr auf, wenn ich auch noch immer abwesend zur Seite sah. Sieh dir das an, das Wunder der Technologie. ...mach einen Doppelten daraus. Ich besah mir kurz das Glas, nachdem der Barkeeper mir das Glas voll geschenkt hatte, ehe ich es hochhob und in einem Zug leer trank. Ich atmete schwer aus und sammelte mich dann einige Momente, ehe sich mein Kopf wieder mehr klärte. Das war wiederum das Wunder des Alkohols. Er sei gepriesen. Ich atmete noch einmal durch und richtete mich dann voll auf, den Androiden zum ersten Mal direkt ansehend. Ich hatte solche wie ihn noch nie in der Stadt gesehen, er schien entweder sehr neu oder doch selten zu sein. Was wusste ich schon? Ich verfolgte die Aktivitäten von Cyberlife nicht. Er hatte braune Haare, braune Augen und sah so verdammt menschlich aus wie alle seinen kleinen Plastikfreunde, bis auf diesen blinkenden Kreis an seiner Schläfe und der, ihn deutlich als Androiden ausweisenden, Kleidung. Sagtest du Tötungsdelikt? Ohne wirklich auf eine Antwort zu warten erhob ich mich langsam und beglich meine restliche Zeche beim Barkeeper.

Als sich der Lieutenant zu mir drehte hatte ich das erste Mal sein aktuelles Bildnis zu analysieren. Das Foto das in der Datenbank war schien deutlich älter zu sein. Alleine die Haare verrieten dies aber genauso sein Blick und die müden blauen Augen. Sobald er sich erhob bekam ich direkt eine neue Anweisung. Folge Lt. Anderson. Ich machte mich also bereit ihm zu folgen während ich erzählte das ich bereits wusste. "Gegen halb acht wurde in einem Haus in der Nähe des Hafen eine Leiche gefunden." Einen winzigen Moment konnte es so gewirkt haben als wäre ich stolz das sich der Lieutenant nun um entschieden hatte. Aber vielleicht auch nicht.
Zu viele Details waren mir selbstverständlich noch nicht bekannt. Die Datenbank wurde immer als letzes vervollständigt nach dem Anruf. "Ich habe die genaue Adresse bereits abrufbar." Mein Tonfall war absolut informierend nichts mehr. Der Vorfall betraf mich nicht. Ich war nur geschickt worden um bei der Ermittlung zu helfen. "Der einzige weitere Bewohner des Hauses sei laut Aussagen ein Android gewesen."

Mhm. Viel mehr Reaktion gab ich nicht auf die Informationen, die der Android mir da zukommen ließ. Ich ging zur Tür und stieß sie mit mehr Kraft auf als nötig. Dann trat ich hinaus an die mehr oder weniger frische Luft. Es regnete in Strömen und es war ziemlich kalt. Ich brauchte einige Momente um mich zu orientieren, ehe ich meinen Autoschlüssel aus der Hosentasche friemelte und mit schweren Schritten zu dem alten Wagen hinüber ging. Der Android muss mit fahren. Ich seufzte schwer. Aber wenn ich ihn hier ließ würde ich mir wieder etwas von Fowler anhören dürfen. Vermutlich diesesmal etwas wie: "Hank! Der Android ist zu teuer um ihn einfach im Regen stehen zu lassen! Er soll dich unterstützen! Reiß dich zusammen!" Oder so etwas ähnliches. Mein Boss übertrieb gerne. Connor war bestimmt wasserdicht und wehrhaft. Dennoch wartete ich, nachdem ich eingestiegen war, dass Connor sich auf den Beifahrersitz setzte. Ich wusste ja nicht mal die Adresse für den Tatort. Ich war zwar angetrunken, aber das war ja nicht das erste Mal, dass mit Alkohol im Blut Auto fuhr, ich war schließlich immer über vorsichtig beim Autofahren. Ich neigte mich vor und holte aus dem Handschuhfach das portable Blaulicht, welches ich vor die Windschutzscheibe legte und anschaltete.

Wie immer meinen Anweisungen folgend ging ich dem Lieutenant hinterher. Der Regen hatte nicht aufgehört. Nach einem Abruf bemerkte ich eine niedrige Außentemperatur. Mich störte das selbstverständlich nicht. Ich fühlte mich nicht anders auch wenn ich nass wurde. Ich folgte ihm zu einem Auto. Es schien ein altes Modell zu sein. Modell: Plymouth Reliant. Besitzer: Lt. Hank Anderson. Mein Scan verriet mir alles was ich wissen musste. Die Datenbank schlug sogar Bilder von dem Modell vor allerdings entsprach dieses Auto nicht ganz den Bilder die ich abrufen konnte. Möglicherweise aufgrund der Pflege.
Ohne zu zögern stieg ich in das Auto auf den Beifahrersitz und sah abwartend nach vorne. Mein Gesicht genau wie meine Körperhaltung war neutral. Der Lieutenant befestigte gerade das Blaulicht. Neben einer Figur einer Hawaii-Tänzerin befand sich ein GPS. Am Boden befanden sich Tüten, zusammengeknülltes Papier und Rechnungen. Ich lehnte mich nach vorne und tippte die Adresse in die Eingabe des GPS ein.

Nachdem Connor eingestiegen war ließ ich den Wagen an und parkte ihn sicher aus. Dann lenkte ich ihn die Straße entlang, den Anweisungen des GPS nach, das mich jetzt schpn nach wenigen Wendungen mit seiner Stimme nervte, weshalb ich sie mit einem Knopfdruck ausschaltete. Ich konnte ja der Karte folgen.
(Der Hafen)

Mein Blick war starr nach vorne gerichtet. Meine Hände befanden sich in exakt der selben Postion auf jeweils dem gleichen Oberschenkel. Meine nächste Aufgabe würde erst bei dem Tatort auftauchen. Vorerst sollte ich weiterhin Lt. Anderson folgen aber auch diese Aufgabe befand sich momentan im Stillstand. Ich wartete also und nutzte die Zeit um einen Diagnose-Scan auszuführen auch wenn ich bereits vor wenigen Stunden alles richtig kalibriert hatte. Es kamen auch keine Fehlermeldungen zurück. Auch die Datenbank aktualisierte ich erneut aber keine neuen Daten waren über den Fall eingetragen worden.
Die Autofahrt verbrachte ich ohne ein Wort zu sagen. Ich machte auch keine einzige Regung. Ich registrierte nur das der Lieutenant nach einiger Zeit das GPS auf 'stumm' schaltete aber weiterhin dem vorgeschlagenen Weg folgte. Mein eingebauter Tracker sagte mir das wir nicht mehr weit entfernt waren.
>> Der Hafen

"Systemcheck abgeschlossen. Hydraulik beschädigt", kam es von mir. Wir waren vor kurzem auf einem Einsatz gewesen, bei dem es zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall gekommen war, bei dem mein Körper leider einen kleinen Schaden genommen hatte.
Joker und ich hatten uns in ein Hinterzimmer der SWAPPER Bar zurück gezogen, da eine Reperatur vorgenommen werden musste. Mein Kopf zuckte immer wieder nach dem Vorfall, ein Treffer an der Seite meines Halses hatte mir das eingebrockt. Im Grunde konnte ich froh sein, dass es meinen Nacken nicht getroffen hatte. Mein Blick wanderte zu Joker. "Weitere Beschädigungen sind ausgeschlossen", fügte ich emotionslos hinzu.

Ich hatte mich hingesetzt, während EDI den Check durchgeführt hatte, denn zu langes Stehen tat ziemlich weh. Ich selbst hatte einen Verband am Arm, denn ich war zu einer ruppigen Landung gezwungen gewesen, was meine Knochen nicht gemocht hatten. Ich beobachtete wie EDIs Blick sich wieder fokussierte, nachdem sie fertig war. Na wunderbar, nur die Hydraulik. Mein Ton war sarkastisch und ich zog eine Werkzeugbox zu mir. Dann schaue ich mir das eben an, na komm EDI.

In seiner Antwort schwang ein Unterton mit, den ich nicht ganz verstand. Während ich diesen mit den Daten abglich, die ich bisher über Jokers Verhalten gesammelt hatte, antwortete ich: "Es hätte schlimmer sein können. Die Hydraulik ist das kleinste Problem." Leider konnte ich keine Daten dazu finden und den Unterton nicht identifizieren, was zur Folge hatte, dass ich Joker im Moment nicht ganz verstehen konnte. Ich trat zu ihm und legte mich schließlich einfach hin, sodass er sehr gut an die zu reparierende Stelle dran kommen würde.

Ich schnaubte amüsiert und rollte mit meinem Stuhl, zum Glück war das mit ihm möglich, an EDI heran, ehe ich begann an ihrem Hals herumzufummeln, wobei ich versuchte die Hydraulik gleichzeitig zu reparieren und mir nicht die Finger zu brechen. Du musstest dich ja auch als Held aufspielen.

Still blieb ich liegen, während er sich daran machte, die Hydraulik an meinem Hals wieder zu reparieren. Als er davon sprach, dass ich mich als Heldin hatte aufspielen müssen, ergab meine Suche Männer und Frauen in auffälligen, bunt schillernden Heldenkostümen. "Mach dir keine Sorgen. Das nächste Mal ziehe ich auch ein bunt schillerndes Heldenkostüm an", versuchte ich, die Situation mit einem Scherz aufzulockern.

Ich lachte leise auf und verzog dann leicht das Gesicht, als einer meiner Finger knackste. Das war knapp gewesen. Wenn dann richtig, ein enges Lederkostüm würde dir fantastisch stehen.