Das Metalltor am Grundstücksrand war leicht überwunden, doch statt dann direkt auf das Haus und die Eingangstür zuzugehend deutete ich müde auf einen kaum sichtbaren Trampelpfad, der durch den Wald, abseits des Hauptweges, führte, ums Haus herum und dann hinunter zu den stillgelegten Gleisen. Da rüber muss ich.

Irritiert sah ich ihn an als er mir sagte wo wir lang mussten. War ich doch davon ausgegangen daß wir einfach ins Haus gehen würden. Allerdings war das sein Zuhause weshalb ich leicht mit den Schultern zuckte und den Weg einschlug den er mir genannt hatte. Na mal sehen wo wir dann jetzt landen. Wenn ich jetzt gleich in irgendeinem Mausoleum voller Fallen lande weiß ich das was falsch gelaufen ist. Wobei lustig wäre es alle mal. Über meine eigenen Gedanken leise kichernd ging es also in Richtung der stillgelegten Gleise.

Worüber lachst du?Der Weg hinunter zu den Gleisen war besonders beschwerlich und da half auch das Morphium nicht mehr komplett gegen die Schmerzen, aber ich biss mich natürlich durch wie immer, wohl wissend, dass ich bald Zuhause war. Wir kamen an Walters Kreuz vorbei, ein kleiner, leuchtender Fleck in der Dunkelheit vor dem Tunnel. Wie immer brannten hier Kerzen, Kerzen die mich nie den Onkel vergessen lassen würden, der einer meiner wenigen Freunde gewesen war. Ich sah nicht dort hin, sondern zu dem dunklen Tunnel, der vor uns lag. Es ist nicht mehr weit. Ich kann ab hier alleine gehen.

,,Über meine eigenen Gedanken. Ich erzähle es dir gerne sobald ich dich abgesetzt habe", schmunzelte ich. Auf dem doch recht beschwerlichen Weg zog ihn ihn sanft mehr an mich und versuchte ihm so gut es eben ging zu helfen damit er nicht zu viele Schmerzen hatte. Ich sah mir das Kreuz mit den Kerzen an und fragte mich für wen genau es dort stand. Bei seinen Worten schüttelte ich jedoch den Kopf. ,,Kommt gar nicht in Frage. Ich bring dich bis zu einem Sessel, Stuhl oder Bett. Ich möchte nicht das die was passiert wenn du hier allein rum läufst." Da war ich jetzt dickköpfig und würde mich davon nicht abbringen lassen ihn sicher reinzubringen. Daher ging ich auch langsam weiter. ,,Rein in den Tunnel?"

Ich bin hier so sicher wie nirgendwo. Das stimmte nicht so ganz, aber das musste Lyra ja nicht wissen. Leider wollte sie mich aber weiter begleiten und da ich schon im Normalfall nie eine Chance gegen sie gehabt hätte, hatte ich sie jetzt noch weniger und ich musste mit ihr mit. Ich seufzte leise und ergeben, denn am Ende lief ja doch nie etwas wie ich es wollte, das kannte ich ja schon. Nach ein paar Metern ist rechts ein Eingang. Ich hatte Walters Loch irgendwann nach seinem Tod vergrößert und eine Tür eingebaut, jetzt kam man das recht leicht hinein und musste nur ein paar Stufen hinauf um richtig ins Haus zu kommen. Dann den Tunnel hinauf, die Leiter hoch und man war da wo mein Onkel all die Jahre gelebt und dessen Wohnort ich schließlich übernommen hatte.

,,Ich möchte nur sicher gehen das es dir gut geht. Sobald ich dich abgesetzt habe lasse ich dich in Ruhe wenn du das möchtest. Versprochen", sagte ich da ich durchaus merkte daß er sich unwohl fühlte weil ich mich durchsetzte. Das war aber verständlich wenn ich bedachte das wohl öfter einfach über seinen Kopf hinweg entschieden wurde. ,,Ich bin ein kleiner Dickschädel und ich könnte es mir nicht verzeihen wenn dir was passiert nur weil ich dich jetzt schon allein gelassen habe. Das würde ich mir lange vorhalten." Während ich das sagte folgte ich vorsichtig seiner Wegbeschreibung und folgte dann dem Weg der sich hinter dem Eingang befand. Bei der Treppe war ich seinetwegen sehr vorsichtig und sobald wir dann da waren sah ich mich kurz um bevor ich kurzerhand die nächstbeste bequeme Sitzgelegenheiten ansteuerte und ihn auf diese sinken ließ.

Ach, ist schon in Ordnung, wirklich. Ich lächelte Lyra an, als wären meine Worte wahr, und ließ mich durch die Gänge schieben, bis wir schließlich in dem kleinen, aber gar nicht so unbequem eingerichteten Wohnraum ankamen, den ich übernommen hatte. Die nächste Sitzgelegenheit war das Sofa im Wohnzimmer, welches dazu noch mit einem kleinen Tisch und ziemlich vielen Büchern an der Wand ausgestattet war. Ging man gerade weiter kam man durch die Kombination aus Küche, Schlaf- und Arbeitszimmer, auf dessen Arbeitsfläche meine Urgroßmutter den Schrein von Walter gestellt hatte, welchen ich nur wagte zu entfernen, wenn ich sie benutzen musste, und noch ein Stück weiter war das einfache Bad, wobei es nach rechts durch den Vorratskeller und schließlich irgendwann nach draußen in den eigentlichen Keller ging. Ich hatte nicht riskieren wollen, dass mich jemand aus der Familie in meinem jetzigen Zustand sah, dazu hatte ich einfach keine Energie, deshalb hatte ich mich auch für meinen eigenen Eingang entschieden. So, da wären wir.

Es war wirklich gemütlich eingerichtet das musste man ihm lassen und ich setzte ihn auf seinem Sofa ab und holte sein blutiges Hemd aus dem Rucksack um es neben ihn zu legen, zusammen mit den Rezepten die Stan ausgestellt hatte. ,,Du hast ein guten Geschmack bei der Einrichtung bewiesen", lächelte ich als ich den Rucksack wieder zu machte. ,,Brauchst du noch irgendwas oder möchtest du dich jetzt lieber ausruhen und allein bleiben. Ich hab ja versprochen dich in Ruhe lassen wenn ich dich abgesetzt habe. Wenn du also nichts weiter brauchst würde ich wieder verschwinden." Ich sag ihn fragend an und da mir gerade noch etwas einfiel zog ich eine kleine Karte aus dem Seitenfach des Rucksacks und legte sie auf den Tisch. Darauf stand meine Nummer falls er sich mal melden wollte oder er etwas brauchte. ,,Kannst dich gerne jederzeit melden, egal ob du was brauchst oder nicht."

Eher mein Onkel, früher hat er hier gelebt. Ich vermisste Walter jeden Tag, den ich hier unten alleine verbrachte, aber trotzdem liebte ich diesen Ort, hier drin war ich sicher, außer Devin wagte sich niemand so weit runter und außerdem war es ein extremes Upgrade zu dem was ich früher gehabt hatte. Ich bin okay, wirklich. Danke für alles. Ich sah überrascht auf die Karte hinab, die Lyra auf meinen Tisch legte und lächelte sie dann an. Lieb von dir. Wenn ich irgendwann mal was tun kann um dir deine Hilfe zurück zu zahlen... na, du weißt ja jetzt wo ich lebe.

,,Oder so." Ob es jetzt er oder sein Onkel gewesen war, es war gemütlich und solange er sich hier wohlfühlte war das genau richtig. Nachdem er bestätigt hatte das es ihm gut ging und er nichts weiter brauchte, nickte ich zufrieden und schulterte meinen Rucksack wieder richtig. ,,Ok dann werd ich mich wieder auf den Weg machen. Wir auch Zeit das ich mal nach meinen Tieren sehe. Die wollen auch mal raus", grinste ich. Das es ihn so überraschte das ich ihm meine Karte da ließ war einfach nur süß und am liebsten hätte ich ihn einfach mal geknuddelt. Das verkniff ich mir jedoch und grinste stattdessen einfach etwas breiter. ,,Klar. Vielleicht komm ich irgendwann die Tage mal Rum um zu fragen wie es dir geht und wenn nicht halt mich ruhig auf dem laufenden. Muss ja wissen wie es dem Sweetheart geht dem ich geholfen habe." Mit einem abschließenden Zwinkern in seine Richtung machte ich mich wieder auf den Weg nach draußen, durch die Gärten und dann zu mir nach Hause. Die Hunde waren heute immerhin sicher nur kurz mit meiner Nachbarin draußen gewesen, waren beide zusammen manchmal etwas schwer zu händeln.

---> Lyras Apartment

Pass auf dich auf. Ich hob meine Hand zum Abschied und spürte dann Hitze in meinen Wangen aufsteigen, als Lyra mich "Sweetheart" nannte. O-okay. Ist gut. Danke. Ich sah der Söldnerin noch eine ganze Weile nach, ehe ich mich endlich auf dem Sofa ausstreckte und leise seufzte. Was für ein Tag. Wer hätte gedacht, dass ich auch einmal Glück haben könnte? Ich sollte mich nicht daran gewöhnen, das würde nur noch mehr weh tun. Ob es Devin gut geht? Er kann zwar auf sich aufpassen, aber ich mache mir trotzdem Sorgen. Irgendwann sollte ich wirklich raufgehen und nach den anderen sehen. Ich muss aufhören so selbstsüchtig zu sein. Aber vielleicht ein kleines Nickerchen... Ich hatte noch nicht einmal fertig gedacht, da war ich schon eingeschlafen.

cf: Das Zentrum » Das Krankenhaus

Nach meinen Möglichkeiten so schnell wie nur irgendwie machbar, hatte ich mich nach meiner Flucht aus dem Fenster am Boden vor dem Krankenhaus aufgekommen wieder aufgerappelt und mich dann so schnell wie möglich nachhause aufzumachen. Meine Gliedmaßen waren steif und ich spürte definitiv hier und dort Blut an meinem Körper kleben, auch einige Scherben, die sich in meine Haut gebohrt hatten, an meiner Wange strömte ebenfalls Blut von dem Streifschuss hinunter, aber alles war besser als von diesem blonden Jäger erledigt zu werden. Jocelyn Heracim hatte noch einmal Glück gehabt, aber ich hatte das Gefühl, das würde nicht das letzte Mal sein, dass wir uns gesehen hatten. Grinsend hatte ich ihr noch eine Nachricht über Jinder gesendet, als meine Intercom plötzlich der Akku ausging. Fuck, genau jetzt., murmelte ich genervt in mich hinein und steckte es in die Tasche. Auf den letzten Metern vor dem Haus löste sich nun auch meine geisterhafte Gestalt um mich herum auf, als ich meine Waffe wieder wegsteckte. "Wir werden sehen, wer hier wessen Beute ist. Ich werde dich jagen. Wenn es sein muss, bis ans Ende der Welt" , gingen mir ihre Worte von vorhin noch einmal durch den Kopf, doch ich grinste nur, Das werden wir noch sehen, Kleines. Da ich den Haupteingang, oder eher besser gesagt meine Mutter, allerdings lieber vermeiden wollte, wählte ich den abgeschiedenen Eingang in unser Haus, von dem gar nicht alle Mitglieder unserer Familie wussten, über die Bahngleise. Den Tunnel hinauf und die Leiter hoch, folgte ich dem Weg, als ich zur Sicherheit meine Stimme erhob, um meinen kleinen Bruder nicht zu erschrecken, Mattis, bist du hier?

Ich fuhr aus meinem ausnahmsweise recht ruhigen Schlaf, ohne Zweifel dem restlichen Morphium in meinem Blut verdanken, auf, als eine Stimme meinen Namen rief. Prompt fiel ich von der Couch und schlug mit einem dumpfen Geräusch und einem schmerzerfüllten Stöhnen auf dem Boden auf. Ich brauchte etwas um mich zurecht zu finden und auch um recht zu verstehen warum mein Arm in einer Schlinge und mein Bein in einem Verband waren. Dann fiel mir aber alles wieder schlagartig ein und ich schaffte es ein Gesicht der Stimme eben zuzuordnen. Devin? Verwirrt und mit vor Schmerz verzogenem Gesicht setzte ich mich auf, ehe ich Letzteres versuchte weg zu atmen und meinen Bruder auch endlich erblickte. Devin! Du bist verletzt! Der Geruch von Blut hing deutlich in der Luft und ich sah selbiges auch am Gesicht meines Bruders herabfließen. So schnell es eben mit angeknacksten Rippen ging erhob ich mich und trat auf meinen Bruder zu, mein schmerzendes Bein so gut es ging ignorierend. Was ist passiert? Setz dich hin.

Meine Gesichtszüge entglitten mir, als ich Mattis erblickte, der gerade noch auf der Couch gelegen war, seinen Arm in der Schlinge musterte ich als erstes, dann den Verband an seinem Bein und seine zusammengekrümmte Haltung, als ob seinen Rippen etwas passiert war. Mein Blick wurde allerdings erst dann richtig finger, als er sofort aufstand, um zu mir zu eilen. Mattis, du bist verletzt!, protestierte ich sofort und trat mit großen Schritten auf ihn zu, Du legst dich jetzt sofort wieder hin, bist du wahnsinnig? Was ist passiert? Ich packte ihm am Arm, der nicht in der Schlinge hing, und zog ihn dann sofort zurück zur Couch, wo ich mich aber wie gewünscht setzte. Ich musterte ihn, meine eigenen Verletzungen ließ ich erstmal völlig außer Acht, Mattis war doch ein viel zarteres Geschöpf als ich. Wie kannst du nur so unvorsichtig sein?