Ich wischte mit dem Handrücken Blit unter meiner Nase weg, die ordentlich schmerzte, nachdem ich den Ellenbogen einer Frau abgefangen hatte, welcher eigentlich für eine andere Dame gedacht gewesen wäre. Natürlich hatte er sie aber verfehlt und dafür mich mit Schwung erwischt. Gebrochen war meine Nase vermutlich nicht, ich wusste wie sich das anfühlte, doch angenehm war es dadurch auch nicht. Egal, wenigstens bin ich jetzt da. Ich hatte mich schon den ganzen Tag darauf gefreut Devin zu besuchen, denn das hatte ich heute Morgen bereits geplant gehabt. Ich vermisste meinen großen Bruder sehr, welcher ja immer sehr beschäftigt war, besonders nach dem tragischen Mord an seiner Frau. Ich berrat jetzt also endlich die Autowerkstatt in der Devin arbeitete und war sehr froh zu sehen, dass mein Bruder wohl tatsächlich heute der Einzige war der da war, von seinem Androidenkollegen einmal abgesehen. Das bedeutete weniger potentielles Pech auf einem Platz. Das war gut. Hey Devin! Fröhlich hob ich eine Hand zum Gruß und trat zu meinem Bruder, welcher gerade untereinem alt wirkenden Auto arbeitete. Kaum stand ich nahe meinem Bruder hörte ich ein ungutes Quietschen und sah schon wie der Wagen leicht herabsackte, vermutlich eine Materialermüdung der Hebevorrichtung, oder es war auch einfach nicht richtig hochgehoben worden, jedenfalls drohte es herunter zu fallen, auf mich natürlich.

Ein metallisches Quietschen ertönte und ich sah aus dem Augenwinkel, wie das Auto, bei dem ich gerade war, kippte, weshalb ich sofort einen Arm nach oben schießen ließ, ohne auch darüber nachzudenken, und das große Fahrzeug gerade noch davon abhielt aus seiner Hebevorrichtung zu fallen. Ein ungutes Rattern ertönte, aber der Arm der Hebebühne beruhigte sich, während ich das Auto ruhig wieder nach vorne schob, wo es erst einmal wieder friedlich balancierte. Ich musste gar nicht hinsehen, wer die Werkstatt betreten hatte, denn der Beinahe-Unfall mit dem Auto war schon Hinweis genug, von der eindeutigen Stimme in meinen Ohren kaum zu sprechen. Hey Mattis. Ich drehte mich grinsend um und zwinkerte meinem kleinen Bruder zu. Muss ich wirklich immer auf dich aufpassen?, fragte ich liebevoll neckend, meine Stimme plötzlich weicher noch als zuvor, während ich meinen Arm wieder vom Auto zurückzog und mir dann die Hände abklopfte. Ohne zu zögern trat ich dann auf meinen kleinen Bruder zu und schloss ihn fest in meine Arme, wo ich ihn dann auch gleich zu mir hochhob und im Kreis wirbelte. Erst nach mindestens drei Umdrehungen setzte ich ihn vorsichtig wieder ab und wuschelte ihm durch die unfassbar weichen, weißen Haare. Ich lächelte sanft, auch ohne mir wirklich Mühe geben zu müssen. Schön dich zu sehen.

Ich kam bei der Yucca - Werkstatt an. Tief atmete ich ein und aus. Schnell betrat ich die Werkstatt, gerade als Devin Mattis Haare durch wuschelte. Da bekam ich schon wieder kotztreiz. Also räusperte ich mich kurz.

Ich sah mich schon unter einem Oldtimer eingequetscht, doch wie so oft kam mir Devin zur Hilfe und balancierte den Wagen ohne jegliche Probleme wieder aus. Staunend sah ich ihm dabei zu, denn ich fand es immer wieder großartig wie einfach mein Bruder Dinge wieder reparieren konnte. Ehe ich das aber kommentieren konnte wurde ich auch schon hochgehoben und herumgewirbelt. das vertraute Gefühl der Hände meines Bruders an meinen Hüften und seine beruhigende Wärme sorgten dafür, dass ich sofort locker und gelöst lachte. Ich hatte wieder lange nicht mehr richtig gelacht, doch Devin vermochte es mir solche Geräusche mit größter Einfachheit zu entlocken. Wer denn sonst, wenn nicht du? Ich lächelte zu meinem älteren Bruder hoch und reckte mich seiner Hand in meinen Haaren entgegen. Es gab nicht viele Berührungen die ich zuließ und genoss, aber solange sie von Devin kamen waren sie immer in Ordnung. Dann hörte ich eine Stimme hinter mir, die ich lange nicht gehört hatte, die mir aber natürlich doch trotzdem sehr bekannt war. Es war Eliot Shandon, einer unserer Cousins. Eliot war nie leicht zu lesen gewesen, doch ich hatte ihn auch nicht oft genug gesehen, er hatte nicht im Hauptwohnsitz der Familie gelebt, sondern war nach dem Tod seines Vaters zu seiner Mutter gegeben worden. Oh, hey Eliot, lange nicht gesehen. Wie gehts dir? Ich lächelte immer noch, selbst wenn es nicht mehr so leicht und einfach war wie das eben noch, als ich mich mit Devin alleine wähnte. Je mehr Leute an einem Ort waren, desto höher war die Gefahr, dass etwas passierte.

Das Lachen, das Mattis da hatte, konnte wahrlich nur von einem Engel sein, anders konnte man sich das wohl kaum erklären, zumindest glaubte ich, dass diese Dinge, an die man früher geglaubt hatte, so geheißen hatten. Unglaublich genug dafür war mein kleiner Bruder immerhin. Als "wie Tag und Nacht" hatte uns Mutter immer beschrieben und sie hatte durchaus recht gehabt, wenn ich meine dunkle Haut in Mattis hellen Haaren sah. Aber dennoch gehörten wir zusammen. Was hast du in letzter Zeit so verbrochen? Etwas genauer musterte ich Mattis nun allerdings, denn ich wollte sichergehen, dass es ihm zumindest halbwegs gut ging. Ich wusste, dass das schwierig war, besonders bei einer Fähigkeit wie seiner, aber die Sorge hatte sich bei mir nie gelehnt. Wenn es Mattis gut ging, ging es immerhin auch mir gut, es ergab alles Sinn. Ein Räuspern ertönte hinter mir und ich drehte mich schwer von mir selber überzeugt grinsend um. Eliot!, grüßte ich den jüngeren Mann, den ich sofort als meinen Cousin erkannte, Ist denn heute "Bring deine Familie zur Arbeit"-Tag? Ohne jedes Taktgefühl ging ich sofort auf Eliot zu und legte ihm kumpelhaft einen Arm um die Schultern, während ich mit der anderen Hand, wenn auch nicht mit sonderlich viel Kraft, versuchte seine Haare zu verwuscheln. Mein allerbester Lieblingscousin, was geht? Wie geht es denn Sissi?

Die freundliche Begrüßung von meiner Cousins, versetzte mir doch noch ein Lächeln aufs Gesicht.Ich bin heute aus dem Krankenhaus entlassen worden. Da dachte ich, geh ich mal meine Familie Mitglieder besuchen, nachdem ich sie lange nicht gesehen hab. Auch wenn es ungewohnt für mich war, vor ihnen zu lächeln. Als Devin nach Sissi fragte verzog ich leicht das Gesicht. Sie war mich im Krankenhaus besucht. Ich war nach dem Tag der offenen Tür bei Solomnia Records verletzt. erklärte ich ihnen. Das löste garantiert keine Freude bei ihnen aus. Immerhin wusste ich, dass sie auch zu der Organisation gehörten. Das machte die Beziehung zwischen uns sehr komplex. Auf der einen Seite waren wir eine beschützende Familie, auf der anderen Seite war jeder aus der Familie wie Tag und Nacht. Und wie geht's euch so?

Vor meinem inneren Auge blitzten Eindrücke der letzten Aktionen auf, die die RESISTANCE beliebte "Aufträge" zu nennen. Laute Schüsse, Leute die an mir herum zerrten, Schmerz. Och, das übliche, Arbeit und so, nichts besonderes. Ich lächelte und ging dann auch ein paar Schritte zu Eliot heran, den Blick stehts auf unsere Umgebung gerichtet. Nicht, dass das irgendetwas helfen würde im Falle, doch ich sah die Gefahr doch lieber kommen, als überrascht zu werden. Das tut mir leid, ich hoffe es war nicht zu schlimm? Besorgt musterte ich Eliot. Wir mochten auf verschiedenen Seiten stehen, wenn auch alles andere als freiwillig, doch er war immer noch Familie und um meine Familie sorgte ich mich immer. Außerdem war ich bei dem Angriff auf Solomnia Records nicht dabei gewesen, weder wegen meiner Arbeit noch wegen der Organisation der ich angehörte, es waren mir zu viele Leute gewesen und ich hatte mich Zuhause verschanzt. Vielleicht hätte ich dort sein sollen. Vielleicht hätten diese Massen ausgereicht um es zu beenden. Aber nein. Ich bin zu feige. Mir geht es gut. Meine Antwort auf Eliots Frage kam wie aus der Pistole geschossen, es war die Standardantwort die ich auf diese Art der Nachfrage zu geben pflegte. Niemand will die Wahrheit wissen. Das sollte auch niemand müssen.

Großartig, fantastisch, wie denn auch sonst?, tat ich die Frage nach meinem Wohlergehen sofort ab, aber es ging mir auch wirklich großartig, eine wundervolle ruhige Zeit lag hinter mir, ein paar Morde hier und da, die niemand bemerkt hatte, keine zu großen Aktionen, außerdem sah ich nun endlich Mattis und Eliot wieder, das waren mehr als genug Gründe, aber mein Leben war ja sowieso perfekt. Was Eliot ansprach war allerdings durchaus etwas, das sofort mein Interesse weckte. Aber erzähl mal, was ist dir bei Solomnia Records überhaupt passiert? Nun, was dort passiert war, wusste wohl jeder, in der Realität, der ich bisher begegnet war, war immer irgendwann dieser Angriff auf Solomnia Records ausgeübt worden, aber was Eliot genau passiert war, wusste ich nicht. Du hast sogar eine Erwähnung im Zeitungsartikel von SOLOMNIA TODAY bekommen, ich bin fast neidisch. Ich grinste und drückte Eliot kurz an mich, ohne zu viel Kraft zu verwenden, bevor ich mich wieder von ihm löste und Mattis die Hand auf die Schulter legte. Ich sah ihm kurz in die Augen, ohne etwas zu sagen. Ich hielt rein gar nichts von den organisierten Bösewichten, sie waren genauso ein Dreck wie alle Helden oder auch die normalen Menschen dieser Kolonie, aber Mattis konnte nichts für seinen Zustand, das wussten wir beide nur zu gut. Es war frustrierend. Dennoch wanderte mein Blick nun beinahe etwas besorgt wieder zu Eliot. Er hatte doch einen gefährlichen Beruf für einen normalen Menschen. Ich wollte sichergehen, dass er ganz gesund war. Es ist wieder alles in Ordnung, oder?

Ich musste bei Devins Aussage ein wenig schmunzeln, aber es freute mich davon zu hören. Als er nach den geschehenissen fragte, verdrehte ich ein wenig die Augen. Ich war beauftragt ein wenig die Sicherheitskräfte zu unterstützen, falls was passiert. Dann hat ein Livestream gestartet wo Vanir, Bull und Mystique im Büro der Chefin von Solomnia Records waren, welche sie als Geisel genommen hatten. Ich bin hochgestürmt. Zuerst hat Mystique gegen mich gekämpft und dann Bull. Ich war an der Schulter und am Bein verletzt. Ist aber so verheilt, dass ich entlassen werden konnte. erzählte ich den beiden. Meine Hände steckte ich nun in die Hosentaschen.

Ich hatte den Livestream nicht sehr aktiv verfolgt, das hatte ich einfach nicht ertragen und Eliots Erzählung bestätigte mir, dass es die richtige Wahl gewesen war. Mit großen besorgen Augen sah ich unseren Cousin an, während ich mich leicht gegen Devin lehnte. Körperkontakt zu meinem Bruder hatte für mich einfach etwas unglaublich heilsames und beruhigendes. Das tut mir schrecklich leid, aber ich bin froh, dass du wieder auf den Beinen bist. Diesen Angriff hatten mitnichten alle überlebt, nicht einmal jene die eigentlich für den Kampf ausgebildet waren. Von den Zivilisten musste man gar nicht erst reden.

Zuerst Mystique und dann Bull, beides Bösewichte von einem ganz harten Kaliber, beides Berater und eine davon auch noch mit uns verwandt. "Tante" Mystique würde ich allerdings auch lieber nicht in den Weg kommen, wenn es sich vermeiden ließ, nicht einmal als ihr geliebter Neffe. Ich sollte mich wieder einmal bei ihr melden. Shit., meinte ich also zum Teil, weil ich das durchaus respektable fand und zum anderen, weil das trotzdem nicht sonderlich gesund klang. Ich war teils beeindruckt und auch teils etwas besorgt, aber immerhin stand Eliot nun hier, scheinbar zumindest größtenteils geheilt und lebendig. Gut, dass du jetzt hier bist, Eliot. Ich grinste meinem Cousin zu und wandte mich dann aber doch noch einmal dem Auto zu, um es kurz zu mustern. Etwas gröberes schien nicht zu fehlen, und Mike war auch noch nicht hier, was bedeutete, dass ich ruhig weiterquatschen konnte. Nicht, dass es mich aufgehalten hätte, ich konnte auch reden und arbeiten, sehr zum Leiden meines Chefs. Aber du machst Gärtnerei noch immer nebenher, richtig? Wenn ich gerade allerdings auch an den Anschlag dachte, so musste dieser wohl auch die Mitarbeiter getroffen haben, wenn auch nur indirekt, und sofort sah ich besorgt zu meinem Bruder hinab. Wie ist es eigentlich jetzt bei Solomnia Records, Mattis?

Ich hob die Augenbraue bei dem Wort von Devin, sagte aber nichts großartiges weiter dazu. Ich bin auch froh noch hier zu sein erklärte ich. Im Kopf bemerkte ich, wie Harold darüber nachdachte sich an meinen Cousin ran zu machen, was ich jedoch niederschlug. Jedes Mal hatte Harold diesen Gedanken. Innerlich verdrehte ich deshalb die Augen. Ja neben beruflich mach ich das immer noch. Die alten Damen bei denen ich bei den Pflanzen ab und zu helfen haben mich auch vermisst, als ich im Krankenhaus war. Eine hat mir sogar Blumen geschickt. erzählte ich mit einem herzlichen Lächeln im Gesicht. Die letzte Frage interessierte mich auch und ich sah zu Mattis rüber. Aber immerhin lebte Mattis noch. Das war eigentlich schonmal ein gutes Zeichen. Benutzt die Resistance dich eigentlich immer noch als Glücksbringer? fragte ich mit einem besorgten Unterton.

Ich war froh zu hören, dass Eliot auch seinem normalen Job noch nachging, bei dem er offenbar auch noch recht beliebt war. Ich lächelte und musterte meinen Cousin mit Wärme. Wirt mochten als Kinder nicht viel interagiert haben, aber er war trotzdem Familie und die war für mich nun einmal das wichtigste und ich wünschte ihnen allen nur das Beste. Dann allerdings wandte sich das Thema auf mich, da Devin es dahin brachte und auch wenn ich innerlich fast erschrocken darüber war, speziell über die folgende Frage von Eliot, so gab ich mir doch, so wie immer, größte Mühe einfach weiterzulächeln. Es geht alles drunter und drüber, die Chefin ist noch nicht aus dem Krankenhaus zurück und die Aufräumarbeiten dauern ewig. Ich half so gut mit wie möglich, doch wenn gar so viele Leute im Hause waren wollte ich nur sehr ungerne an meinen Arbeitsplatz gehen, ich arbeitete da lieber von Zuhause aus. Außerdem, wie sollte ich bitte helfen können? Ich wandte mich von Devin zu Eliot und winkte ab, als wäre meine Aufgabe bei der RESISTANCE nichts was mein Leben nur noch weiter unerträglich machte. Ich sollte nicht so denken, wenigstens hab ich so einen Nutzen. Ach, nur ab und zu.