Mit großen, verschiedenen Augen sah ich Simon und Markus nach, die gerade davon gingen. Sie hatten wohl etwas zu bereden was nicht für meine Ohren gedacht war, dagegen war nichts einzuwenden und so beruhigend wie die beiden gesprochen hatten, war wohl wirklich kein Grund zur Besorgnis gegeben. Ich sah ihnen also nur ein paar Momente unruhig nach, ehe ich mich wieder dem Platz zuwandte an welchem der Garten entstehen sollte, und ihn abging und ausmaß, um herauszufinden wie viel Liter Erde wir etwa brauchen würden.

Gut für Markus, dass er mich bestätigt hatte, sonst hätte ich diese Bestätigung selbst nachdrücklich gezischt, so aber folgte er mir brav hinterher und alsbald blickte ich in seine heterochromen Augen und war mit einem Mal daran erinnert was er da über mich gesagt hatte. Ich spürte wieder Hitze in meinen Wangen aufsteigen, doch ein schneller Blick über die Schulter des anderen Androiden zu Ralph rief mir wieder ins Gedächtnis was ich hier eigentlich tun wollte und so konnte ich Markus schließlich auch ernst und direkt ins Gesicht sehen ohne blaue Wangen zu bekommen oder vor Verlegenheit zu vergehen. Es ist für die anderen. Markus, ist dir nicht aufgefallen, dass Ralph es erschreckt, wenn du ihn plötzlich anfasst?

Der Blick von Simon sagte mir schon genug, dass es ernst war, weshalb ich meinen Kopf wieder gerade neigte und ihm direkt in die Augen sah, blau und stürmisch, wie ein Kunstwerk von der Freiheit, dem Meer, der Liebe. Ich musste Simon eines Tages fragen, ob ich ihn malen durfte, wenn ich denn jemals eine ruhige Minute finden würde, und Materialien natürlich, um das zu tun. Allerdings zog ich auf seine Worte hin doch deutlich verwirrt die Augenbrauen zusammen. Wann habe ich ihn denn plötzlich angefasst?, fragte ich zuerst noch beinahe etwas ungläubig, bevor mein Blick beinahe eine traurige Note bekam und ich schuldbewusster nachfragte, ...ich habe ihn erschreckt?

Ungläubig sah ich Markus an, als er mir antwortete, denn wie hatte er denn nicht erkennen können, dass es Ralph unangenehm gewesen war angefasst zu werden? Mir war es klar wie der Tag erschienen. Ich konnte allerdings wirklich nicht böse auf Markus sein, nicht, weil er nicht Mist gebaut hatte, sondern weil er mich wieder einmal mit seinen Augen ansah, als wäre er ein getretener Welpe. Ich fuhr mir mit der Hand über das Gesicht und schüttelte dabei den Kopf. Zwei Mal seit ich da bin auf jeden Fall. Hast du nicht gesehen wie er weggeschreckt ist eben? Ist dir nicht klar, dass es Abweichler gibt die Angst vor Berührungen haben?

Zwar war das nicht wirklich meine Absicht gewesen, Ralph zu erschrecken, allerdings wunderte es mich, dass niemand sonst etwas dazu gesagt hatte, vor allem Ralph selber nicht. Ich musste zugeben, ich hatte nicht so wirklich darauf geachtet, ich achtete nie wirklich darauf, ob ich nun jemanden berührte oder nicht. Ich... Ich schüttelte den Kopf, während ich hilfesuchend zu Simon sah. Ich schätze, es fällt mir wirklich nicht auf, wenn ich jemanden anfasse. Es war mir natürlich klar, dass es Androiden gab, die Angst vor Dingen hatte, unter anderem auch Berührungen, aber ich hatte das nicht wirklich mit meinem eigenen Verhalten assoziiert, ich war gar nicht erst davon ausgegangen, dass mein Verhalten so etwas überhaupt auslösen könnte.

Ja, den Eindruck habe ich auch. Immerhin berührte Markus auch mich immer wieder, etwas woran ich mich mittlerweile nur zu gerne gewöhnt hatte, doch auch für mich war das eine Umstellung gewesen und ich hatte grundsätzlich keine Angst vor körperliche. Kontakt. Ich schüttelte den Kopf und sah Markus wieder fest in die verschiedenen Augen. Versuch einfach beim nächsten Mal auf die Reaktion des anderen zu achten, okay?

Etwas peinlich berührt, aber doch mit einem deutlich unschuldigen Blick sah ich Simon an, denn ich hatte wirklich keine Ahnung, dass das ein Problem hätte darstellen können. Es war wohl einfach... meine Art, mein Charakter, jeder Abweichler hatte natürlich seinen völlig eigenen, ob nun nahe oder fern seiner Programmierung, aber da waren eben noch diese anderen Dinge, diese Verhaltensweise, wohl auch unterbewusste. Ich fragte mich, ob es meiner engen Beziehung zu Carl zu verdanken war, oder einem anderen Mysterium. Danke für die Erinnerung, Si- Ich hob meine Hand und klopfte ihm direkt wieder freundschaftlich auf die Schulter, was ich dann mit einem entschuldigenden, wieder sehr unschuldigen Grinsen quittierte, Heh. Plötzlich zogen sich allerdings meine Augenbrauen besorgt zusammen und leichte Unsicherheit flammte in meinen ungleichen Augen auf. Es... es stört dich aber nicht, oder?

Ein leises Geräusch, fast ein Lachen, kam aus meinem Mund, als Markus mich wieder wie ein erschrockener Welpe ansah, nachdem er mir offenbar ohne nachzudenken auf die Schulter geklopft hatte. Nein, keine Sorge, ich hätte dir das schon längst gesagt. Ohne zu überlegen hob ich meine eigene Hand und legte sie sanft auf Markus' Arm, den er eben wieder zurück gezogen hatte. Im Gegenteil ehrlich gesagt. Noch während ich diese vier Worte aussprach wurde ich schon verlegen und sah zur Seite, es war wahr, aber das zuzugeben machte mich irgendwie verlegen.

Ein wenig Schuldbewusstsein behielt ich anstandshalber auf meinem Gesicht, während sich der Rest allerdings sofort aufhellte und ich erleichtert grinste, während ich nun meine eigene Hand über die Hand von Simon auf meinem Arm legte. Mein Grinsen wurde allerdings sofort mehr zu einem strahlenden Lächeln, als er auch noch hinzufügte, dass er es eigentlich mochte, wenn ich ihn berührte, das hatte ich zwar schon vermutet, aber es noch einmal zu hören, war eine ganz andere Sache. Gut, das würde mir nämlich schwerfallen, das zu ändern., gab ich ehrlich zu und lachte dann leise, Um ehrlich zu sein, fällt mir so etwas wohl generell schwer. Aber bei dir besonders.

Ich sah zu unseren Händen hinab, Markus dunklere auf meiner helleren, und spürte die Wärme die der jüngere Android wie immer abstrahlte. Jetzt im Sommer hatte ich sehr viel weniger Probleme mit den Temperaturen, doch Markus als eine Art Heizstrahler in der nähe zu haben war doch wieder etwas wunderbar anderes. Das befürchte ich auch, aber bemüh dich. Plötzlich blinkte eine Nachricht auf meinem HUD auf und meine LED drehte sich auf Gelb. Richard hatte mir geschrieben, er war wohlauf, was mich überaus beruhigte. Richard geht es gut.

Richard! Ich riss meine Augen auf, als ich die Nachricht auf meinem HUD empfing und spürte, wie mein Stresslevel kurz rasant anstieg und sich dann aber wieder senkte, als ich seine Nachricht las und auch gleich beantwortete mit meiner eigenen. Seitdem ich ihn gefunden und nach JERICHO getragen hatte, hatte ich immer wieder ein Auge auf den Androiden gehabt, der damals zum Abweichler geworden war. Aber in letzter Zeit hatte ich ihn einfach nicht hier finden können, zuerst war ich davon ausgegangen, er war einfach nach draußen gegangen, um etwas zu holen oder auch einfach etwas für sich zu sein, wie ich es auch gerne tat, aber dennoch war ich sehr besorgt gewesen. Ich hatte mir solche Sorgen gemacht. Wir haben schon so lange nichts mehr von ihm gehört, seitdem ihn niemand mehr in JERICHO finden konnte. Ich schüttelte den Kopf, hoffentlich war nichts schlimmes passiert.

Ich war für den Moment einfach nur froh von Richard gehört zu haben, er war lange weg gewesen, innerlich hatte ich bereits begonnen zu resignieren und versucht zu verstehen, dass ich wieder einen Freund verloren hatte, deshalb fiel es mir gerade sehr schwer so emotional zu reagieren wie Markus. Ich bin einfach so froh. Ich antwortete Richard auch rasch und starrte dann ein paar Sekunden lang einfach nur seine Nachricht auf meinem HUD an.

Simon wirkte beinahe etwas abwesend und ich stellte mich ganz instinktiv näher zu ihm, um ihm eine Hand dieses Mal auf die gegenüberliegende Schulter zu legen, damit ich mich ein Stück hinter ihn stellen konnte. Ich hielt ihn nicht fest oder umarmte ihn, aber ich leistete ihm Beistand, während ich Richard sogleich antwortete. Er scheint in einem Apartment untergekommen zu sein., gab ich Simon meine Informationen weiter und schüttelte dann den Kopf, nachdem ich erst einmal keine weitere Antwort von Richard erhielt. Hoffentlich war er einfach gut auf dem Weg nach JERICHO. Was wohl passiert ist, dass er nicht gleich nach Jericho zurückkommen konnte?

Eine Antwort von Richard kam, doch sie war alles andere als das was ich mir erhofft hatte. Meine LED sprang von gelb auf rot und ein Zucken durchlief meinen Körper, der praktisch nur durch Markus' Hand auf meiner Schulter davon abgehalten wurde noch weiter zu reagieren. Ich schickte meine Antwort sofort und kaum eine Minute später noch eine weitere. Was ist los? Wo ist er? Er muss in Gefahr sein!

Gerade noch war mein Stresslevel wieder ganz unten angelangt, als ich die plötzliche Veränderung an Simon förmlich spüren könnte und ich dann auch schon seine LED von gelb auf rot springen sah, ein eindeutiges Zeichen dafür, dass in ihm gerade etwas vorging, dass ganz und gar nicht positiv war. Besorgt verstärkte ich meinen Halt auf seiner Schulter und wandte mich ihm direkt zu. Simon?, versuchte ich ihn anzusprechen, bevor ich ihn leicht an der Schulter rüttelte, Simon! Was ist los? Ich versuchte ihn etwas dazu zu bewegen, sich nach hinten zu lehnen, damit ich ihn gegen meine Brust halten konnte, unsicher, was er als nächstes tun würde oder könnte.